Das Kindergeburtstags-Protokoll

Liebe Menschen da draußen, Kindergeburtstage sind ja an sich aktiv gelebter Kontrollverlust. Machen wir uns da nix vor. Was bei uns gestern los war, entpuppte sich als wahre Comedy. Gefeiert wurde der Geburtstag unserer Zwölfjährigen – und wer gestern nicht live bei Twitter dabei war, kann es jetzt in chronologischer Reihenfolge nachlesen. Bitteschön:

Die Gäste trudeln ein und marschieren Richtung Esszimmer. Einer der Gäste – nennen wir ihn Paul – sieht die Waffeln: „Waffeln! Sehr gut! Davon ess ich ganz viele!“ Entsetzte Gesichter. Panisch werden Teller mit Waffeln befüllt. Ich schenk mir den ersten Schnaps ein.

Paul schafft nur zwei Waffeln. Ich fress lachend die vierte. Was für ein Anfänger!

Ich hätte eine Stretchjeans anziehen sollen. Anyway. Es sind noch Waffeln da!

Die Kinder sind jetzt auf Schnitzeljagd (nein, sie jagen kein Schnitzel) und ich überlege die Hausnummer am Tor auszutauschen. Trinke den zweiten Schnaps.

Das zweijährige Nesthäkchen beschließt, dass JETZT der perfekte Moment ist, uns mitzuteilen, dass sie fortan als Nudistin leben möchte – und rennt nackig und schreiend durchs Haus. Ich trinke den dritten Schnaps.

Trinke den vierten Schnaps. Vorsorglich.

Die Kinder sind zurück von der Schnitzeljagd und plündern die Schatzkiste.

„Nee.“
„Das will ich nicht.“
„Was ist das?“
„Ich nehm nur Lollis.“
„Ich will was anderes.“

Im Goodies einkaufen bin ich scheinbar ne ganz formidable Niete. Ich trinke meinen fünften Schnaps.

Wenn die Kinder hier dann Pizza mit Artischocken statt Salami wollen, würde mich das nicht weiter überraschen.

Die Kinder wollen JETZT Pizza belegen. Waffeln essen ist ja auch schon ne gute Stunde her. Die sind so verfressen wie Hobbits.

Das Pizza belegen läuft – wie erwartet – nicht problemlos ab. Ich habe keine Artischocken im Haus! Aber saure Gurken. Paul muss von sauren Gurken brechen, also lassen wir das lieber weg. Zeit für den sechsten Schnaps.

Tomatensoße auf weißem Putz! Ich liebe Kinder!

Der Mann möchte JETZT anstehende Termine besprechen.

Währenddessen geht die Vierjährige zur Partygesellschaft der Zwölfjährigen, stellt sich in die Mitte, kratzt sich am Kopf und sagt: „Ich glaub, ich hab Läuse.“

Stille.
Grillen zirpen.
Schreie.

Eine lachende Vierjährige verlässt den Raum.

Die Pizza ist fertig. Paul rennt zum Backofen, kniet sich davor und starrt verliebt ins Innere. Panik macht sich breit.

Binnen fünf Minuten holt sich Paul die dritte Portion, denn er hat “einen schnellen und starken Kiefer”. Ich setze Nudeln auf, damit alle Kinder etwas zu essen bekommen.

Kind 1 (14) kommt überraschend mit zwei Freundinnen nach Hause und Paul steht zum vierten Mal für Pizza an. Hier es jetzt sehr voll, insgesamt elf Kinder quaken durcheinander

Die Nudeln sind fertig und ratet mal, wer Nudeln möchte?

Richtig!
Paul.

„Und was ist jetzt mit Eis?“

Paul, du bist mein Held.

Der Mann und ich geben uns High Five! Wir haben soeben das Level „Großküche“ freigeschaltet.

Zwischen den Töpfen und Blechen sehen wir, dass überraschenderweise ein Stück Pizza übrig geblieben ist. Ich rufe Paul.

Schwenke um auf Bier. Das muss ich mir nicht so oft nachschenken. Außerdem ist der Schnaps alle.

Paul ist satt. Ich wiederhole. Paul ist satt.

Die Zweijährige zieht sich wieder aus.
Ich habe einen Flitzer in der Familie.
Unglaubliche Zustände hier!

Ein verspäteter Partygast wird von allen nur „Queen“ genannt. Sie trinkt nur Wasser ohne Sprudel und wird von einer Leibwächterin beim Essen abgeschirmt. Wo bin ich hier?

Schnäpschen!Da war noch Kirschwasser im Schrank.

Ach guck, Paul isst noch ein Eis. Er streitet mit einem der großen Mädchen: „Ich würde dir ja das Eis ins Gesicht schmieren, aber dafür ist es zu lecker!“

Paul ist Legende.

Jetzt fällt mir auf, dass ich Omas Kittelschürze noch trage, die ich heute Mittag zum Teig anrühren übergezogen habe. Jedes dieser Kinder hier glaubt nun wahrscheinlich, dass ich Witwe Bolte bin.

Meine große Tochter und ihre Freundinnen verabschieden sich lachend: „Übrigens, Paul hat noch Hunger!“

Der Mann fährt die Kinder jetzt nach Hause. Nicht ohne tränenreiche Abschiedsszenen. Das Geburtstagskind und eine ihrer Freundinnen wohnen zwei Häuser voneinander entfernt, das muss man erstmal verarbeiten.

Mein Handy erinnert mich an die Einnahme der Pille. Ich nehme zwei.

Pauls Mama ruft an. Er hat seine Zahnspange bei uns vergessen und kommt schnell nochmal vorbei, um sie zu holen.

Ich setze Nudelwasser auf.

Am Morgen nach dem Kindergeburtstag fühle ich mich seltsam verkatert.

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7 Kommentare

  1. Hast Du Paul wenigstens zum Frühstück eingeladen?
    Herrlich wie immer.

    1. Ich hab nicht genug Brötchen da. Aber Waffeln sind noch übrig.

  2. Hast Du inzwischen den Autor von diesem Drehbuch gefunden – vielleicht kann er ja die ein oder andere Szene in der Zukunft noch zu Deinen Gunsten ändern. Es war spannend- wie immer;-)

  3. Herrlich… Das ruft alte Erinnerungen wach

  4. Simone Nothelle-Woters

    Ich lache Tränen, weil es so wie bei uns ist! Großartig mit deiner Großfamilie!

  5. Ich habe Tränen gelacht. Unbekannterweise viele liebe Grüße und bitte mehr davon!

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