Was am Ende wirklich zählt

Gestern war ein richtiger Scheißtag. Anstrengend, vollgepackt mit Terminen und Autofahrten. Das bedeutet dann meist Kinder von A und B einsammeln, nach C fahren, nach A zurück und ab nach D, noch mehr Kinder einsammeln und wieder zurück nach A und von da aus nach E, weil es so viel Spaß macht. Kommt sicher der ein oder anderen Mama bekannt vor. Diese Tage bleiben nicht aus, wenn man einen Stall voller Kinder hat. Wenn der Papa des bunten Haufens Spätdienst hat, bleibt leider  alles an mir hängen und solche Tage gehen meistens ganz grandios in die Hose. Fünf Kinder sind dann fünf potenzielle Katastrophen, Mama irgendwie auch. Das beginnt dann auch gerne mit genervtem Türen knallen kurz nach sieben Uhr morgens. Für solche Momente lebt man doch, ne? Nee!

Kinder geben einem so viel: schlechte Laune, Dreckwäsche, verspätete Notenzettel, Gestank und Diskussionen mit enorm hohem Aggressionspotenzial. Damit man den Nachwuchs nicht ungespitzt in den Boden rammt oder über eBay Kleinanzeigen als Minenarbeiter verschachert, wartet die Natur meiner Meinung nach mit einem ganz hinterhältigen Trick auf: Kleinkinder und Babys sind mit Vorsatz niedlich, damit man sich in brenzligen Situationen daran erinnert und sie trotzdem liebt.

Allerdings ist der Tag halt mittelschwer gelaufen, wenn ich schon vor dem ersten Kaffee lautstark konstatieren kann: „Ich hasse Kinder!“ Da sitzt du dann später mit einem der Teenager beim Kieferorthopäden und hörst mit wachsender Pulsfrequenz den Lügengeschichten zu, die sie da zum Besten gibt, bevor dir der Kragen platzt und du ins Geschehen eingreifst. Wusstet ihr, dass es keine signifikanten Verbesserungen am Gebiss gibt, wenn man die Zahnspange nicht trägt? Verrückt, oder? Wusstet ihr, dass auch Kieferorthopäden dann streng werden können und einen Abbruch der Therapie in Aussicht stellen, da auf den Zahnspangenträger scheinbar kein Verlass ist? Und wer ist schuld? Genau! Ich! Glaubt zumindest das Kind, das immer dann, wenn ich nicht aufmerksam beobachte, die blöde Spange wieder rausnimmt und damit die Behandlung sabotiert. Was Zeit und Geld und Nerven kostet. Aber hey! Yolo!

Kurz darauf fragt sie, ob sie ihr Handy wiederhaben kann, das ich gestern Abend eingezogen habe, weil sie ihre Aufgabe, die Kleinen zu beaufsichtigen, damit ich kochen kann so großartig erledigt hat. Man sieht halt nicht, dass die drei apokalyptischen Reiter den Esstisch mit Buntstiften bearbeiten, wenn man zwei Zimmer weiter im Bett liegt und am Handy zockt. Um William Shakespeares „Hamlet“, Akt II, Szene IV, Vers 48 zu zitieren: „Nein!“ Und – Zack! – bin ich zum zweiten Mal an diesem Tag schuld an ihrem Ungemach. Ich beantworte das mal so charmant wie sie sonst – mit einem Schulterzucken. Ob sie zur AG Entspannung gehen könne. Klar. Gibt mir auch ne Stunde Entspannung. Zumindest von einem der fünf Nervenkitzler hier.

Während also ein Teenie zur AG Entspannung geht, liegt der andere Teenie auf dem Bett und prägt sich ein, dass die Sahelzone gleich neben der Sahara bei Grönland liegt. Die Vierjährige räumt alle Kostüme im Kinderzimmer aus und verteilt sie auf die gesamte Wohnung. Die Zeit, in der ich hinterherlaufe, um die Kostüme wieder einzusammeln, nutzt das Zwillingsmädchen, um sein neues Talent – das Wasserbecher umschubsen – im Wohnzimmer zu üben. Neben ihr packt der Zwillingsjunge die CDs aus dem Schrank. Und während ich so völlig entspannt am trockenwischen und einräumen bin, fällt mir auf, dass der Teenie seit zwei Stunden überfällig ist. Die Arbeitsgemeinschaft ist schon lange vorbei. Anrufen kann ich sie nicht, hab ja das Handy eingezogen, ich Depp. Also mach ich mich auf die Suche und treffe an der Schule die Hortnerin an, die die AG Entspannung durchführt, die mir dann völlig entsetzt mitteilt, dass die AG doch heute ausgefallen sei und sie alle Kinder umgehend nach Hause geschickt habe. Entspannend!

Da ich nix besseres zu tun habe, laufe ich das Dorf ab und frage bei ihren Freunden nach, ob sie da ist. Natürlich nicht. Schnaps ist verlockend. Zu Hause angekommen ist sie da. Ich habe ihr erlaubt erst später nach Hause zu kommen. Amnesie! Ich leide unter Amnesie! Nein. Ich werde einfach nur frech angelogen und habe innerlich einen Homer-Bart-Moment. Ich überleg mir später was, denn aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die Zwillinge von mehreren Seiten des Esstisches Anlauf auf mein Handy nehmen. Also geh ich erstmal dort hin und bekomme in diesem Moment eine Nachricht von meinem Mann. Ein Selfie aus einem Krankenhauszimmer. Ich solle mir keine Sorgen machen und ruhig bleiben. Soll mich um die Kinder kümmern. Nix schlimmes, er hatte wahrscheinlich einen Herzinfarkt.

Da siehst du deine Kinder in Zeitlupe auf dem Tisch rumkrabbeln und hörst ihr Geschrei wie durch Watte. Da hast du plötzlich einen schweren Stein auf der Brust und hast Angst. Angst deine andere Hälfte zu verlieren, Angst den Vater deiner Kinder zu verlieren. Angst. Einfach Angst. Das Geschrei der Kinder ist plötzlich nicht mehr schlimm, das umgekippte Glas Wasser auch nicht. Aufstehen, ins Auto steigen, in die Notaufnahme fahren – das willst du. Deine Kinder allein lassen kannst du aber auch nicht. Ruhig sollst du bleiben, schreibt er. Dass die Krankenschwestern hier fürchterliche Lästerschwestern sind, sagt er. Dass die Ärzte alle durcheinander reden und sie ihm schon 15 Liter Blut abgezapft haben, schreibt er. Da lachst du, unter Tränen. Dein kleiner Sohn kommt zu dir und streichelt deine Wange und du weinst noch mehr. Deine Tochter kommt zu dir und gibt dir einen Kuss auf den Arm. Dein Mann schreibt, dass alles gut wird. Du möchtest das gerne glauben.

Und als du in der Nacht dann doch noch in der Notaufnahme stehst und einen ganz widerlichen Cappuccino aus dem Automaten im Wartebereich trinkst und ein blasses Häufchen Elend Mann um die Ecke schlurft und schief lächelt, dann versöhnt dich das doch ein wenig mit dem Scheißtag. Du hast Nerven verloren, aber nicht deinen Mann. Es war kein Herzinfarkt. Gott sei Dank. Du hast dich mit Teenagern gezankt und fluchend hinter Kleinkindern hergeräumt. Aber sie sind gesund. Alle. Du hast niemanden verloren. Deine Arche ist noch intakt. Die See war stürmisch, aber niemand ist über Bord gegangen. Wen interessieren da ein paar Löcher im Segel. Du hast alle um dich, die du liebst. Und das ist es, was am Ende des Tages zählt.   

Papas sind leichte Opfer

Heute Nachmittag war ich mit der Großen in der Stadt beim Optiker. Nach gut einer Stunde, dreitausend Brillengestellen später und 150€ ärmer kamen wir wieder zu Hause an. Oder besser: in dem was davon übrig blieb. Ich hätte vielleicht einfach im Auto sitzen bleiben und zur Ostsee durchfahren sollen. Da ist es im Winter ganz wunderbar still und aufgeräumt.

Der Papa war mit den drei Kleinsten allein zu Hause. Und sagen wir mal so: Die müssen den Kerl sediert und mit Panzertape an die Decke geklebt haben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Vielleicht ist mein Mann in dieser auch Zeit schlagartig erblindet, wurde taub und bewegungsunfähig. Die Kinder könnten ihn mit einem Nudelholz k.o. geschlagen haben. Eventuell war er aber auch so sehr gefesselt von seinem neuerlichen Raub in Age of Empires, dass es ihm unmöglich war, nach den Kindern zu sehen. Ich habe da viele Theorien. Er hatte gerade nur ein überraschtes „Huch!“ in petto. Und ich hab Puls.

Chaos und Zerstörung komprimiert auf 60 Minuten. Das ist eine krasse Leistung. Im Kinderzimmer befand sich kein Stein mehr auf dem anderen. Der Putz in der Küche wurde an diversen Stellen großzügig abgeschabt, glatte Wände sind ja auch viel schöner. Vom Flur bis zum hintersten Winkel des Kinderzimmers lag eine Spur Styropor, wie Brotkrümel. Beim Sonntagsmärchen passen sie also gut auf. Die Werkbank und der große Bagger waren als Schutzwall hinter der Tür zum Kinderzimmer aufgebaut und danach musste ich mich erst einmal durch ein Gebiet voller Tretminen schlagen – Matchbox Autos und Legosteine. Dazwischen Haarspangen. Unzählige! Jetzt hab ich die zumindest wieder und muss nicht mehr verzweifelt danach suchen.

Weil das an sich Situationen sind, in denen mir gerne die ein oder andere Halsschlagader platzt, atme ich tief durch und schnür die Laufschuhe. Schlimmer kann es ja nicht werden. Ach was red ich. Kann es doch. Während ich japsend und graziös wie ein besoffener Otter meine sechs Kilometer runterreiße, reißen die Plagegeister zu Hause den Inhalt meiner Handtasche an sich und versenken ihre Handabdrücke in der Quarktorte. Als Finale parken sie den Schiebe-Bagger als Stolperfalle direkt hinter der Schlafzimmertür. 

Und jetzt weiß ich es auch: Ich lass sie nie wieder „Minions“ gucken, die lernen da zu viel. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben die sich übereinander gestapelt und sind als hinterhältige Räuberleiter mit der Wokpfanne im Anschlag hinterrücks auf meinen Mann los. Die haben den Ärmsten erneut bewusstlos geschlagen! Der kann gar nix dafür. Seht ihr doch auch so?

Diese Theorie rettet zumindest sein Leben für den Moment. Er schenkt mir gerade ein Glas Martini ein. Und dann mach ich die Augen zu und singe ganz laut „Lalalalala!“ – dann ist das ganze Chaos nämlich gar nicht mehr da.

Teenager sind die schlimmeren Kinder

Wisst ihr, was niedlich ist? Teenager schon mal nicht. Daran denkt man nur leider nicht, wenn man nach sechs Stunden Wehen, Dammriss, Blut und Schweiß endlich sein erstes Kind in den Armen hält. Ein krächzendes, verschrumpeltes Häufchen Baby. Die große Liebe deines Lebens (gut, eine von noch vielen großen Lieben meines Lebens, aber das wusste ich damals ja noch nicht). Dieser eine kleine Mensch, der dich vollkommen macht, dir den Schlaf rauben wird. Ein Leben lang, wie ich jetzt weiß.

Teenager sind wunderbar! Wunderbar seltsam. Wunderbar faul. Wunderbar schlampig. Wunderbar eklig. Sie stellen dich jeden Tag vor die Entscheidung: „Lieb ich dich oder möchte ich dich im Ural aussetzen?“ Der Ural soll ja im Winter besonders schön sein. Gut, der hat keinen gefüllten Kühlschrank, kein W-LAN, keinen Wäschekorb direkt vor der Zimmertür, den man meidet wie der Teufel das Weihwasser. Es ist doch auch viel schöner, wenn sich die Dreckwäsche im Zimmer stapelt und man dann abends lautstark lamentieren kann, dass man keine Socken mehr hat, weil ja alle Socken im Zimmer liegen und nicht im Wäschekorb. Komische Sache. Noch komischer ist, dass ich keine Teelöffel mehr in der Küche finden kann. Die liegen nämlich alle bei einem der Teenager im Bett. Ja, richtig. Ich hab hier zwei davon und das macht das Ganze so unglaublich lustig. Nein. Das macht das Ganze so unglaublich nervtötend.

Jeden Abend denke ich darüber nach, hemmungslose Alkoholikerin zu werden. Oder Profi-Wrestlerin. Oder Aussteigerin, in Neuseeland. Alaska klingt auch ganz toll. Da werden nämlich keine Türen geknallt, weil man doch tatsächlich sein Geschirr selbst in die Spülmaschine einräumen sollte. Oder weil man es wagt zu fragen, wie der Schultag so lief. Das ist immer hochexplosiv. Zumindest bei einem der beiden Pubertiere. Das andere erzählt nix. Hat seine Vorteile. Führt aber auch dazu, dass man morgens um 7.00 Uhr eine taiwanesische Flagge klöppeln muss, weil das für den Geografieunterrichte heute unermesslich wichtig ist. Könnte aber auch schon letzte Woche gewesen sein, keine Ahnung. Die Einladung zum Elternabend , der vor zwei Wochen stattfand, liegt noch ganz unten im Ranzen, bei der schimmeligen Mandarine. Gleich neben der Mathearbeit vom letzten Monat, die eigentlich schon lange unterschrieben sein sollte. Aber hey! Das Leben ist zu kurz für Schulbürokratie. Lang lebe die Revolution! Wenn die den Müll aus ihrem Zimmer runterbringen, landet der bei einem der beiden IMMER in der blauen Tonne. Das kann ich dann am nächsten Tag wieder rausfischen und umsortieren. Gestern Abend sagte ich, dass ich den Müll bitte nicht wieder in der Papiertonne finden möchte. „Okay.“ Ratet mal, wo er also folgerichtig lag? Genau! In der gelben Tonne. Da gehören Essensreste, durchlöcherte Socken, zerknülltes Papier und Taschentücher ja auch hin. Manchmal bin ich dankbar dafür, dass Atmung ein Reflex ist, sonst würden die das aus purer Faulheit auch noch einstellen. Denken hält sich ja gerade in Grenzen, spart Energie. Ich brauch Schnaps.

Und überhaupt! Teenager sind die besseren Hipster. Die besseren Millenials und Generation X kann gegen 13-jährige eh einpacken. Die wissen alles besser. Die können alles schon. Aber wenn der blöde Drucker im Büro nicht macht, was er soll, schrumpfen sie binnen Sekunden zu kleinen zornigen Trollen, denen man besser aus dem Weg geht. Die brauchen auch keine Schränke, die lassen ihre frisch gewaschene Wäsche fein säuberlich getürmt auf dem Schreibtisch stehen und nehmen sich da täglich weg oder lassen runterfallen und liegen. Tritt sich fest. Spart den Teppich. Wenn ich meinen Puls hochtreiben will, weil kein Kaffee mehr im Haus ist und ich nicht so richtig wach werde, fange ich ne Diskussion mit den Teenies an, provozierendes Schulterzucken inklusive. Spart drei Tassen. Wenn ich Töpfe suche, weiß ich wo die sind. Im Bett von einem der Teenager. Bislang konnte mir noch niemand schlüssig erklären, warum die da gelagert werden. Vielleicht ist hinterm Bücherregal ja eine Kochecke versteckt, von der ich nix weiß. Oder es ist eine Kunstaktion gegen die festgefahrenen Rituale des Alltags. Vielleicht verteidigen sie sich nachts damit gegen Zombies. Vielleicht sind sie aber auch einfach nur blitzblöde. Das wäre die beste Erklärung. Und die Schlechteste. Denn – wir waren doch irgendwie genauso – nur ohne Smartphones und Tablets. Ohne W-LAN und Hotspots. Wir waren genauso schlampig und haben alles stehen und liegen lassen. Haben Blödsinn verzapft. Wir hatten andere Hotspots, Apfelkrebse, die in der Schreibtischschublade vor sich hin schimmelten und Klassenarbeiten, die wir möglichst lange im Rucksack warten ließen. Wir waren unsere Kinder. Und die Pubertät ist Gottes Rache für alles, was unsere Eltern mit uns durchlebt haben. Oder auch nicht. Ich war total umgänglich! Hab nie was Blödes gemacht, keine Widerworte gegeben und mein Zimmer immer aufgeräumt. Ich schwöre.

Es ist aber auch total spannend ihnen beim Erwachsen werden zuzusehen. Ihren beginnenden Sarkasmus zu feiern und ihnen dabei zu helfen, ihren Weg zu finden. Ihnen peinlich zu sein ist genauso so schön. Ich hab mir nicht umsonst ein Justin Bieber-T-Shirt gekauft, dass ich zum Abholen von der Schule gerne trage. Ich bin 25 Jahre älter. Ich hab 25 Jahre Vorlauf im Mist bauen und Blödsinn verzapfen. Und ich habe noch ein paare Jahre Zeit, um den Teenagern so richtig auf die Nerven zu gehen. Auge um Auge. Zahn um Zahn. Das wird ein Spaß. Das Beste aber ist, dass ich hier noch drei Kleinkinder in der Pipeline habe, die zu Teenagern werden. Was ich bei den zwei Großen an Munition nicht verschießen kann, heb ich mir für die hier nachwachsenden Rohstoffe auf.

Ihr entschuldigt mich nun aber, ich muss meine Mutter anrufen und mich für die Jahre 1992 – 1999 entschuldigen.

Kinder sind Gremlins

Wisst ihr, wie toll es ist Kinder mit Rotznasen und Husten zu haben? Wenn die Kleinsten krank sind und alle deshalb schlecht schlafen? Dann treffe ich morgens blöde Entscheidungen – wie das noch müde Kleinkind vom Kindergarten abzumelden. Ach, die anderen beiden ja auch. Soll ja lustig werden. Klingt harmlos. Ist es aber nicht! Es entwickeln sich im Anschluss Situationen, die man nur kennt, wenn man so dämlich ist Gremlins nach Mitternacht zu füttern.

Einer der Zwillinge kotzt mein Müsli ins Wohnzimmer, als ich kurz im Bad bin. Wollte ich zwar essen, eignet sich aber wohl besser als Trittschalldämmung. Danach ziehen beide weiter in die Küche, um sich Alufolie um den Kopf zu wickeln, die der Papa in der morgendlichen Eile in durch Hocker stapeln erreichbarer Höhe auf der Arbeitsplatte liegen ließ. Zwilling 1 verreibt sich ständig den Nasenschnodder im Gesicht und auf dem Laminat und den Wänden und Zwilling 2 zieht überall Kabel raus und Nachttischlampen runter. Als ich den beiden in der Küche etwas zu trinken gebe, sitzt die Vierjährige derweil entspannt im Kinderzimmer unterm Tisch und schmiert alles mit Linola ein. Der Teppich dort wird nie wieder unter trockener Haut leiden.

Anschließend räumen die „Drillinge“ alles, wirklich alles, vom Kinderzimmer ins Wohnzimmer. Wie eine beschwipste Ameisenkolonie. Schleichtiere verursachen höllische Schmerzen, wenn man drauf tritt. Wusstet ihr das? Zwischen all dem Spielzeug finden sie blaue Kreide, die offenbar richtig gut schmeckt. „Braveheart“ haben sie zwar nie gesehen, aber die Visagisten könnten sich noch heute gute Tipps bei meinen Kindern holen.

Während ich mit den Zwillingen diskutiere, dass es doch einfacher wäre, das Spielzeug im dafür vorgesehenen Raum zu lassen, klettert die Vierjährige im Schlafzimmer über diverse Möbel, um an mein Mascara auf der hohen Kommode zu kommen und das Sofa im Wohnzimmer damit einzuschmieren. Es hat von nun an die schönsten Wimpern im gesamten Landkreis. Für immer. Geht nicht raus. Was soll’s. Passt nun wunderbar zu meinem ehemals cremefarbenen Bürostuhl, den jetzt expressionistische Werke zieren, die liebevoll mit Papas wasserfester Edding-Sammlung angebracht worden sind. Jackson Pollock würde applaudieren. Die Edding Marker standen übrigens auf dem höchsten Regal im Büro. Aber hey! Wenn man einmal die hohe Kommode im Schlafzimmer erklommen hat, ist das Regal überm Schreibtisch ein Klacks.

Kinder bereichern unser Leben, machen es bunter (oder schwarz wie mein Mascara von Lancôme) und schöner (sagt das Sofa). Ich kann mir ein Leben ohne Kinder gar nicht mehr vorstellen. Ich weiß auch gar nicht wie das ist ein sauberes Sofa und intakte Tapeten zu haben. Ist sicherlich langweilig, ne. Aber vielleicht machen die Monster (eh, Kinder) ja gleich Mittagsschlaf, dann kann ich kurz aufräumen (Schnaps trinken) und die Füße hochlegen (weg rennen).

Ich geh jetzt weinen.
Leise. In Embryonalstellung.
Unten neben der Waschmaschine, die heute bereits die dritte Runde läuft, weil die Bettwäsche die liebevolle Massage mit Schokolade nicht so gut verkraftet hat wie die Kleinsten vielleicht dachten.

Immer mit der Ruhe, Pocahontas!

Willkommen auf meinem Blog! Endlich! Da ist er! Eine weitere gestresste Mama, die sich ihren Kindersegen von der Seele schreibt. Hab ja sonst nix zu tun. Hey, lass die Finger von Papas Handy!

Damit war der böse Zwilling gemeint, und welcher von beiden das nun eigentlich ist, hab ich auch nach zwei Jahren noch nicht wirklich herausgefunden. Zusammen jedenfalls sind sie unschlagbar. Da wär ja noch die zwei Jahre ältere Schwester, die den Blödsinn, den sie von ihren – ja, da kommen noch mehr – zwei großen Schwestern gelernt hat, gerne an die Jüngsten hier im Haus weiter gibt. Wenn ihr auf gute und dramatische Unterhaltung steht, euch freuen wollt, dass ihr nicht alleine seid mit den liebenswerten Eigenheiten eures Nachwuchses… dann seid ihr hier richtig. Genau richtig. Ich freu mich! Willkommen! Geht besser in Deckung.

Kinder

Vor einigen Tagen sagte mir eine Frau aus unserem Ort, dass sie mich für meine Nerven bewundere. Sie würde mich oft mit den drei Kleinen sehen und sich fragen, wie ich das schaffe.

Hm, wie schaffe ich das? Long story short: Gar nicht. Ich habe keinen Plan. Null. Ich weiß nicht wie es geht. Keine Ahnung, was diese ganzen Kinder hier ständig von mir wollen. Das verschwimmt ab 8.00 Uhr morgens zu einem einheitlichen Lärmbrei. Denn zu den drei Kleinkindern kommen noch zwei Teenager und diese Mischung ist hochexplosiv. Kurz nach Mitternacht kam heute der erste zu uns ins Bett gekrabbelt. Bis kurz nach sechs lagen drei Kleinkinder kreuz und quer in unserem Bett. Eltern können ja durchaus auf den Bettkanten schlafen, was sind die auch so blöd und kaufen sich bloß ein 1.80m breites Bett. Gegen 7.30 Uhr ging das morgendliche Ritual los: Der erste wird wach und haut den nächsten auf den Kopf. Geschrei. Treten. Alle wach. Bis zum Frühstück hatten die drei Kleinsten das Wohnzimmer zerlegt und die große Tochter saß mit finsterer Mine am Tisch, weil ich – na klar – dafür verantwortlich bin, dass die Gummis für ihre Zahnspange weg sind. Nach dem Frühstück kam ich auf die Schnapsidee, Bilder zu bearbeiten und einen Bericht zu schreiben über das Konzert, auf dem ich gestern Abend war. Dabei habe ich – ganz Anfänger – nicht registriert wie verdächtig still es war. Die Jüngste hat die Chance genutzt, sich komplett ausgezogen und den Weg zum Schicksalsberg auf sich genommen. Was heißen soll: Sie ist über das Hochbett auf den Wickeltisch geklettert, wo ein Regal angebracht ist, auf dem der heilige Gral steht – die Penatencreme.

Das gute Kind hat die Penatencreme großzügig auf dem Hochbett, der Bettwäsche und ihrem Bauch verteilt. Als ich Depp endlich merkte, dass da was im Busch ist und ins Kinderzimmer ging, ergriff sie reflexartig die Flucht und schmiss sich mit ihrem Penatencreme-Prachtbauch aufs Sofa. Und die Kissen. Und die Decken. Ein Traum! Nach dem ich das Bett abgewaschen und abgezogen hatte und alles in die Waschmaschine gepackt hatte, hab ich mir den nächsten Fauxpas geleistet und bin kurz ins Bad… Wie lange lasst ihr eigentlich eure Weihnachtsbäume stehen? Neujahr? Heilige Drei Könige? Oder bis die Kleinkinder beschließen mit den Christbaumkugeln Fußball zu spielen? Ich habe also am 30. Dezember bereits den Weihnachtsbaum abgeschmückt, da er nach der Attacke von drei wildgewordenen Rotzgören (ja, meine) weder Nadeln noch Kugeln hatte. Weil das alles auf völliges Unverständnis stieß. hat die Jüngste beschlossen alle Jacken, die sie finden konnte in die untere Etage zu werfen. Spart den Teppich im Flur. Weil ich dann so doof war, das Haus zu verlassen, um meine große Tochter zu ihrer besten Freundin zu fahren, musste ich schlichtweg damit rechnen, dass im Kinderzimmer alle Schubladen ausgeräumt und alle Duplosteine aus ihren Kisten gekippt wurden. Was soll ich sagen? They did it! Als Zugabe haben sie den LED-Schlauch, den der Papa in liebevoller Kleinarbeit am Hochbett befestigt hat, damit die Kinder auch abends tolles Licht haben, aus den Halterungen gezerrt und irgendwo einen Kabelbruch verursacht. Der leuchtet jetzt nur noch halb. Das Weihnachtsgeschenk der Oma haben sie bei der Gelegenheit auch gleich zerlegt. Hier werden keine halben Sachen gemacht.

Und weil der Papa heute Abend gekocht hat, konnte ich das Hochbett frisch beziehen und das Kinderzimmer wieder aufräumen. Konnte ja keiner ahnen, dass sie währenddessen das Besteck vom bereits gedeckten Esstisch klauen und elegant die Soße, die auch schon auf dem Tisch stand, umrühren. Braune Soßenkleckse sind eine formidable Tischdeko! Ich weiß, dass die sich jetzt den ganzen Abend gegenseitig aufdrehen und ich am Ende mit den Kampfhähnen wieder im Bett liege, ohne einen Film auch nur ansatzweise gesehen zu haben. Aber wer braucht schon Entspannung? Heißer Kaffee am morgen wird auch überschätzt. Trinkt sich besser kalt, wenn man die Kinder zwischenzeitlich dreimal wieder anziehen musste, weil es ja so viel toller ist, im Winter im Badeanzug durch die Bude zu rennen.

Nerven? Hab ich nicht.

Mein Ruhepuls ist 180. Ich lebe mit fünf Kindern.

Und jetzt haut mir ab mit eurer Sonntagmittagkaffeekränzchenidylle auf Instagram. Die gibt es nicht!