Liebe Menschen da draußen, Kindergeburtstage sind ja an sich aktiv gelebter Kontrollverlust. Machen wir uns da nix vor. Was bei uns gestern los war, entpuppte sich als wahre Comedy. Gefeiert wurde der Geburtstag unserer Zwölfjährigen – und wer gestern nicht live bei Twitter dabei war, kann es jetzt in chronologischer Reihenfolge nachlesen. Bitteschön:
Die Gäste trudeln ein und marschieren Richtung Esszimmer. Einer der Gäste – nennen wir ihn Paul – sieht die Waffeln: „Waffeln! Sehr gut! Davon ess ich ganz viele!“ Entsetzte Gesichter. Panisch werden Teller mit Waffeln befüllt. Ich schenk mir den ersten Schnaps ein.
Meine erste große
Liebe habe ich an einem sonnigen Freitagnachmittag getroffen. Schreiend, verschmiert,
zerknittert, meins. Ich war gerade 25 Jahre alt geworden, mitten im Bachelorstudium
und Single. Und dann war da plötzlich dieses kleine Häufchen Mensch, dass zu
mir gehören sollte. So winzige 46 Zentimeter, so kleine Füßchen, so
schrumpelige Händchen und verknautschte Ohren. Überall Käseschmiere. Und ich
war so verliebt. Für immer. Das geht doch jeder Mama so, oder? Die Neugeborenen
können aussehen wie Gremlins, wir lieben sie. So unabdingbar. Und dieses Gefühl
soll eine Weile halten, mindestens bis zur Pubertät.
Here we go! Dieser magische erste Moment ist nun dreizehn
Jahre her. Wir haben es mit ein, zwei, vier Geschwister-Ablegern bis zur Pubertät
geschafft. Und gestern waren meine Große und ich Schuhe kaufen, fürs Skilager.
Das stellte meine Mutterliebe auf eine harte Probe. Winter- oder Wanderschuhe
sollten es sein, so der Sportlehrer auf dem Elternabend. Okay. Ich weiß, was
Winterschuhe ausmacht. Meine große Tochter wahrscheinlich auch, aber das ist ja
noch kein Argument. Da gehst du mit ihr jedes Regal ab, guckst nach Futter in
den Schuhen und Sohlenprofil – und sie zeigt zielsicher auf – ja! – Lackschuhe.
Lackschuhe im Skilager, Badelatschen zum Bergsteigen. Argumente, dass es schön
glänzt, aber nicht wärmt, verhallen ungehört. Das einzige, was dann doch noch
den Kauf vorzeitig abbricht, ist die Tatsache, dass die Dinger nur drei Nummern
zu groß vorrätig sind. Gut. Next. Hey, da stehen Buffalos! Mit zehn Zentimeter
hohen Sohlen, damit sollte es doch keine Probleme im Schnee geben. Will sie
nicht. Die hat ja keine Ahnung! Die Verkäuferin hinter uns sortiert schon
auffällig lange lachend die Schuhe ins Regal ein. Mein großes, dickköpfiges
Mädchen schlurft mit hängenden Schultern zum nächsten Regal und kommt mit
schwarzen Boots wieder. Ich halte senfgelbe Wanderschuhe dagegen. Sie probiert
beide an – ja! – so haben die Verkäuferin und ich auch geguckt! Und schiebt mir
dann den Schwarzen Peter zu. „Sag doch mal, welche dir besser gefallen. Sonst kaufen
wir Schuhe, die du nicht magst!“ – Diese Logik! Ich trag die Schlappen doch
nicht! Aber hey, gut. Ich finde die gelben besser. Sie entscheidet meinem Rat
folgend – richtig – auf schwarz. Alter! Nach geschlagenen drei Stunden Odyssee
durch die Schuhläden der Landeshauptstadt bin ich einfach nur froh, dass wir kurz
vor der Ziellinie sind. An der Kasse schließlich verhakt sich das Kind mit dem
Schuhkarton im Beutel und blökt entnervt: „Boah, Mama! Kannste mir nicht mal
helfen?“ Vielleicht ist mir rausgerutscht: „Ich habe dich schon auf die Welt
gebracht. Wie viel Hilfe willst du denn noch?“ Und vielleicht hat sich die
Kassiererin lachend an ihrem Kaugummi verschluckt und das glücklich schwangere
Pärchen hinter uns guckt eventuell etwas irritiert auf den wachsenden Babybauch
und ahnt Übles. Ich bin so gerne behilflich.
Maya und Findus
Und wie mich mein Kind da so völlig entnervt ansieht, fällt
mir wieder ein, wie niedlich die mal war! Mit ihren großen Augen und der
Stupsnase. Wie sie immer völlig ausrastete, wenn meine Schwester und ich ihren
einen Raum voller Luftballons aufgepustet hatten. Oder sie an ihrem fünften
Geburtstag ein riesiges Findus-Kuscheltier bekam und den nie wieder hergab, bis
heute nicht. Wie wir jeden Abend zusammengekuschelt einschliefen und dabei „Pettersson
und Findus“ hörten. Wie sich unsere kleine Welt nur ums Glücklichsein drehte.
Meine erste große Liebe und ich. Mein Sonnenschein. Dieser kleine Mensch, der
mich so unerwartet vollkommen machte. Dieses
Kind, das so völlig unanstrengend und unkompliziert war. Dieses Kind, das so
wahnsinnig gerne und laut lachte. Dieses Kind.
Ich durfte sie nun schon dreizehn Jahre auf ihrem Lebensweg
begleiten. Jahre, in denen sie Melodika und Akkordeon spielen lernte. Klavier für
sich entdeckte und sich jetzt selbst das Gitarre spielen beibringt. (Noten
lesen kann sie als Erste in dieser Familie. Das kann sonst keiner. Keine
Ahnung, warum sie diese Superpower hat.) Jahre, in denen sie ihren eigenen Stil
und ihren eigenen Kopf entwickelte. Und dieser Kopf macht mich fertig. Der ist
so dick! Also nicht dick. Kein Wasserkopf. Nicht im herkömmlichen Sinne. Sondern
stur. Unendlich stur.
Wenn sie in der Drogerie halt nicht richtig liest und statt
des Shampoos nur die Spülung einpackt, dann ist das eben dasselbe. Punkt. Und wenn
ich ihr ein Deo kaufe und sie mir sagt, das würde nach toter Katze riechen, aber
ich könne das ja nehmen, dann nehm ich das und laufe Arme rudernd an ihr
vorbei. Und wenn sie mit ihrem Stiefpapa streitet, dann mit ganzem Einsatz, bis
einer weint. Oder die Türen knallen. Und wenn sie kocht, dann eben ohne Salz,
weil sie Salz doof findet und wir essen dann mit einem gequälten Lächeln heiße
Pappe. Und wenn sie vom Schultag erzählt, dann hat halt jeder Sendepause. Und
keiner kommt mehr hinterher, weil es so schnell geht und die Infos so
reichhaltig sind. Und bei alledem erkenn ich mich wieder – außer beim Noten
lesen. Bei alledem seh ich in meinen Spiegel und liebe dieses große Kind ein
Stückchen mehr. Auch wenn sie immer zu kurze Jeans trägt und die auch noch
hochkrempelt, im Winter, weil’s halt cool ist. Auch wenn sie immer Recht haben
muss und es nicht akzeptieren kann, wenn es mal nicht so ist. Auch wenn ihr
Lieblingswort „Delicious!“ ist und ich sie dafür schubsen möchte, weil sie auf jeden
verdammten Satz damit reagiert. Auch wenn sie ihre Socken drei Tage am Stück
trägt. Auch wenn sie manchmal echt unfassbar doof sein kann. Und stinkt. Ich
liebe sie.
Auch beim anschließenden Jeanskauf. Mit meinen Gedanken war
ich back in 2007, als sie in Gummistiefeln und Tutu mit ihrem neuen Regenschirm
im Hof getanzt hat. Als sie mit ihrem Uropa auf der Gartenbank saß und seine
frisch gepflückten Himbeeren aus dem Körbchen gefuttert hat, bevor die Uroma
schnöde Marmelade daraus machen konnte. Da hab ich mich an all die goldenen Momente
erinnert und fand es prima, dieses Kind zu haben. Als wir dann noch beim
Optiker waren, um ihre neue Brille, mit der sie aussieht wie ihr eigener Snapchat-Filter,
richten zu lassen, da war ich stolz, weil ich dieses Weib groß bekommen hab. Und
so selbstsicher und freundlich und höflich und schlau – und schlagfertig. 2005
hatte ich so eine irre Panik irgendwas falsch zu machen. Sie vom Wickeltisch
fallen zu lassen oder beim spazieren gehen zu verlieren. Aber ich bin beständig
ein Level weiter gekommen und das macht mir Mut für die übrigen vier Kinder
hier. Wenn ich diesen grantigen Edelstein hier aufziehen konnte, ohne grobe
Fehltritte, dann schaff ich das auch mit den vier fast baugleichen Zwergen.
Vielleicht. Hoffentlich. Wird schon.
Wisst ihr, was niedlich ist? Teenager schon mal nicht. Daran denkt man nur leider nicht, wenn man nach sechs Stunden Wehen, Dammriss, Blut und Schweiß endlich sein erstes Kind in den Armen hält. Ein krächzendes, verschrumpeltes Häufchen Baby. Die große Liebe deines Lebens (gut, eine von noch vielen großen Lieben meines Lebens, aber das wusste ich damals ja noch nicht). Dieser eine kleine Mensch, der dich vollkommen macht, dir den Schlaf rauben wird. Ein Leben lang, wie ich jetzt weiß.
Teenager sind wunderbar! Wunderbar seltsam. Wunderbar faul.
Wunderbar schlampig. Wunderbar eklig. Sie stellen dich jeden Tag vor die Entscheidung:
„Lieb ich dich oder möchte ich dich im Ural aussetzen?“ Der Ural soll ja im
Winter besonders schön sein. Gut, der hat keinen gefüllten Kühlschrank, kein
W-LAN, keinen Wäschekorb direkt vor der Zimmertür, den man meidet wie der
Teufel das Weihwasser. Es ist doch auch viel schöner, wenn sich die Dreckwäsche
im Zimmer stapelt und man dann abends lautstark lamentieren kann, dass man
keine Socken mehr hat, weil ja alle Socken im Zimmer liegen und nicht im Wäschekorb.
Komische Sache. Noch komischer ist, dass ich keine Teelöffel mehr in der Küche
finden kann. Die liegen nämlich alle bei einem der Teenager im Bett. Ja,
richtig. Ich hab hier zwei davon und das macht das Ganze so unglaublich lustig.
Nein. Das macht das Ganze so unglaublich nervtötend.
Jeden Abend denke ich darüber nach, hemmungslose Alkoholikerin zu werden. Oder Profi-Wrestlerin. Oder Aussteigerin, in Neuseeland. Alaska klingt auch ganz toll. Da werden nämlich keine Türen geknallt, weil man doch tatsächlich sein Geschirr selbst in die Spülmaschine einräumen sollte. Oder weil man es wagt zu fragen, wie der Schultag so lief. Das ist immer hochexplosiv. Zumindest bei einem der beiden Pubertiere. Das andere erzählt nix. Hat seine Vorteile. Führt aber auch dazu, dass man morgens um 7.00 Uhr eine taiwanesische Flagge klöppeln muss, weil das für den Geografieunterrichte heute unermesslich wichtig ist. Könnte aber auch schon letzte Woche gewesen sein, keine Ahnung. Die Einladung zum Elternabend , der vor zwei Wochen stattfand, liegt noch ganz unten im Ranzen, bei der schimmeligen Mandarine. Gleich neben der Mathearbeit vom letzten Monat, die eigentlich schon lange unterschrieben sein sollte. Aber hey! Das Leben ist zu kurz für Schulbürokratie. Lang lebe die Revolution! Wenn die den Müll aus ihrem Zimmer runterbringen, landet der bei einem der beiden IMMER in der blauen Tonne. Das kann ich dann am nächsten Tag wieder rausfischen und umsortieren. Gestern Abend sagte ich, dass ich den Müll bitte nicht wieder in der Papiertonne finden möchte. „Okay.“ Ratet mal, wo er also folgerichtig lag? Genau! In der gelben Tonne. Da gehören Essensreste, durchlöcherte Socken, zerknülltes Papier und Taschentücher ja auch hin. Manchmal bin ich dankbar dafür, dass Atmung ein Reflex ist, sonst würden die das aus purer Faulheit auch noch einstellen. Denken hält sich ja gerade in Grenzen, spart Energie. Ich brauch Schnaps.
Und überhaupt! Teenager sind die besseren Hipster. Die
besseren Millenials und Generation X kann gegen 13-jährige eh einpacken. Die wissen
alles besser. Die können alles schon. Aber wenn der blöde Drucker im Büro nicht
macht, was er soll, schrumpfen sie binnen Sekunden zu kleinen zornigen Trollen,
denen man besser aus dem Weg geht. Die brauchen auch keine Schränke, die lassen
ihre frisch gewaschene Wäsche fein säuberlich getürmt auf dem Schreibtisch
stehen und nehmen sich da täglich weg oder lassen runterfallen und liegen. Tritt
sich fest. Spart den Teppich. Wenn ich meinen Puls hochtreiben will, weil kein
Kaffee mehr im Haus ist und ich nicht so richtig wach werde, fange ich ne Diskussion
mit den Teenies an, provozierendes Schulterzucken inklusive. Spart drei Tassen.
Wenn ich Töpfe suche, weiß ich wo die sind. Im Bett von einem der Teenager.
Bislang konnte mir noch niemand schlüssig erklären, warum die da gelagert
werden. Vielleicht ist hinterm Bücherregal ja eine Kochecke versteckt, von der
ich nix weiß. Oder es ist eine Kunstaktion gegen die festgefahrenen Rituale des
Alltags. Vielleicht verteidigen sie sich nachts damit gegen Zombies. Vielleicht
sind sie aber auch einfach nur blitzblöde. Das wäre die beste Erklärung. Und
die Schlechteste. Denn – wir waren doch irgendwie genauso – nur ohne
Smartphones und Tablets. Ohne W-LAN und Hotspots. Wir waren genauso schlampig
und haben alles stehen und liegen lassen. Haben Blödsinn verzapft. Wir hatten
andere Hotspots, Apfelkrebse, die in der Schreibtischschublade vor sich hin schimmelten
und Klassenarbeiten, die wir möglichst lange im Rucksack warten ließen. Wir
waren unsere Kinder. Und die Pubertät ist Gottes Rache für alles, was unsere
Eltern mit uns durchlebt haben. Oder auch nicht. Ich war total umgänglich! Hab
nie was Blödes gemacht, keine Widerworte gegeben und mein Zimmer immer
aufgeräumt. Ich schwöre.
Es ist aber auch total spannend ihnen beim Erwachsen werden
zuzusehen. Ihren beginnenden Sarkasmus zu feiern und ihnen dabei zu helfen, ihren
Weg zu finden. Ihnen peinlich zu sein ist genauso so schön. Ich hab mir nicht
umsonst ein Justin Bieber-T-Shirt gekauft, dass ich zum Abholen von der Schule gerne
trage. Ich bin 25 Jahre älter. Ich hab 25 Jahre Vorlauf im Mist bauen und
Blödsinn verzapfen. Und ich habe noch ein paare Jahre Zeit, um den Teenagern so
richtig auf die Nerven zu gehen. Auge um Auge. Zahn um Zahn. Das wird ein Spaß.
Das Beste aber ist, dass ich hier noch drei Kleinkinder in der Pipeline habe,
die zu Teenagern werden. Was ich bei den zwei Großen an Munition nicht
verschießen kann, heb ich mir für die hier nachwachsenden Rohstoffe auf.
Ihr entschuldigt mich nun aber, ich muss meine Mutter anrufen und mich für die Jahre 1992 – 1999 entschuldigen.
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