Das! Ist! Sparta!

Manchmal kommen mein Mann und ich auf ganz wunderliche Ideen. Das bleibt bei fünf Kindern nicht aus. Denn ohne Schaden überlebt man das Zusammenleben mit zwei Teenagern und drei Kleinkindern halt einfach nicht. Vor kurzem kam der Gatte ja auf die grandiose Idee bei laufendem Betrieb die Küche umzubauen. Das zieht sich jetzt seit Februar, aber es wird. Es ist abenteuerlich, aber wir sehen da sowas wie ein Ziel. Vor ein paar Tagen aber waren wir ganz schlau: er geht mit den Teenies Schuhe kaufen und ich koche zu Hause im Beisein der „Drillinge“ das Abendessen. Wird easy peasy. Ganz entspannt. Erinnert ihr auch an die Szene aus „300“, in der Leonidas „THIS IS SPARTA!“ brüllt? Solche Szene spielen sich hier ab, wenn die Kinder merken, dass sie jetzt leichtes Spiel haben. Das sind Szenen eines Peloponnesischen Krieges würdig, in dem wir Eltern – ganz klar – die griechischen Verlierer sind.

Nun hat sich die Zahl der Streitkräfte auf beiden Seiten aber gedreht. Und wir sind selbst schuld. Dass wir gegen die Kinderzahl im Haus unterlegen sein könnten, haben wir schon kurz nach Geburt unseres ersten gemeinsamen Kindes bemerkt. Das ging strategisch aber noch ganz gut auf. Dann wurde ich – hoppla – nochmal schwanger und wir sahen unsere Felle sanft davonschwimmen. Bis zum dem Moment als feststand, dass es Zwillinge werden. Fünf gegen zwei. Wir liegen seither öfter in Embryonalstellung hinter der Tür, in der Hoffnung von keinem der Kinder hier entdeckt zu werden. Aber das geht leider nicht immer, denn diese Folterspezialisten, von denen zwei gerne mal über mehrere Tage das gleiche Paar Socken tragen, damit sich ein tränengasartiger Geruch entwickeln kann und die übrigen drei Stimmfrequenzen haben, die Erdbeben auslösen können, müssen ja auch mal eingekleidet werden. Denn: Wachsen tun sie ja auch noch unablässig. Das ist eine Kriegslist. Also haben mein Mann und ich uns aufgeteilt. Zwei gegen einen und drei gegen eine.

Ob wir manchmal bekloppt sind? Ja. Ob wir nach fast zwei Jahrzehnten Elternschaft immer noch reichlich blöde Anfängerfehler machen? Klar! Ob wir die chaotische Wucht unserer Kinder ein ums andere Mal unterschätzen? Logo!

Also fährt der Mann entspannt mit den großen Mädchen los zu Reno und ich sortiere mir die Töpfe auf die neue Induktionskochplatte. Das klingt in der Theorie immer alles ganz hübsch, wenn da nicht die Praxis wäre. Schon mal mit Teenagern shoppen gewesen? Nur Weisheitszähne ziehen lassen ist schöner. Aber von diesem Drama in vier Akten bekomme ich hier nichts mit, denn in meiner Küche piept es fürchterlich laut, umrahmt vom Geschrei der Zwillinge, die mir unter arhythmischem Geklapper ihre Töpfchen in den Weg stellen. Das Piepen kommt entweder von der Dunstabzugshaube oder dem Kochfeld, aber da leuchtet nix. Nach einiger audiophiler Verwirrung steht fest, Neo! Konstantin! Gaede! hat den Wecker am neuen Backofen gestellt. Das kann er also auch. Während ich Kartoffeln schäle, holen die Zwillinge kleine Hocker herbei und stellen sich links und rechts von mir auf, um – besser als jeder Sportkommentator – meine Arbeit zu beschreiben. Long story short: Ich bin eine böse Mama. Weil ich das Kochfeld wieder einschalte, nachdem die dunklen Herrscher es ausschalten. Immer abwechselnd. Einer steigt auf den Hocker und schaltet aus. Der andere wartet und applaudiert. Nachdem ich klargestellt habe, dass ich die Kontrolle über den Herd habe, drehen sie mir beleidigt den Rücken zu und ziehen ab. In der nun folgenden fünfminutigen Stille kann ich zwar die Klöpschen formen und in die Pfanne legen, die Kartoffeln aufsetzen und die Dose frischgeernteter Erbsen in einen Topf gießen, aber ich habe auch in jeder verdammten Sekunde Panik, dass die zwei irgendwas anstellen. Und da fällt mir ein: Wo ist die Dritte?

Das dritte Kind sitzt leise summend im Wohnzimmer und malt mit meinem Lippenstift wunderschöne impressionistische Gemälde auf die weiße Kommode. Bei dem Anblick hebt sich seltsamerweise nicht mal mein Puls an – das nennt man dann wohl Konditionierung. Wenigstens hat es dieses Mal nicht den Fernseher getroffen. Ich nehme ihr also den Lippenstift ab und verweise auf das Malbuch, das auf dem Tisch liegt und renne wieder in die Küche. Denn: da piept es! Schon wieder. Dieses Mal ist es nicht der Wecker am Backofen. Nein, das Induktionskochfeld piept. Hätte ich ja gleich draufkommen können. Nur habe ich nicht den Hauch einer Ahnung weshalb. Diese verfluchte Technik! Ich will doch nur Klöpschen braten! Und wo sind die Zwillinge hin?

Die stehen im Kinderzimmer und ziehen sich gerade die Windeln aus. Voll schön. Dann brennt jetzt halt die Küche, aber Zwillinge ohne Windeln am Bobbes sind riskanter als jede Rauchentwicklung auf dem Herd. Nachdem ich beiden frische Windeln angezogen habe und zurück in die Küche stolpere, um festzustellen, dass es immer noch piepst, kommen die Teenager mit halbwegs glücklichen Gesichtern zur Tür rein. Der Mann hingegen wirkt etwas blass. Das ist dann aber auch der Moment, in dem ich sage, dass ich nie wieder koche, wenn ich mit den drei Kleinsten allein zu Hause bin und meine große Tochter mit leicht genervtem Blick zum Herd geht, das Wasser vom Kochfeld wischt und sagt: „Mann, Mama! Die Platte war nass. Dann geht der Alarm los. Stell das doch mal ab.“ Klar, die Platte quakt, wenn Wasser draufkommt. Warum wusste ich das nicht? Wer erfindet sowas? Warum weiß der Teenie das? Kann ich jetzt ins Bett? Und woher kommen die Schutzgelderpresser hinter mir plötzlich her? Die Zwillinge – nämlich – haben die 3D-Brillen aus der Schublade gekramt und sehen damit fürchterlich gefährlich aus. So gefährlich, dass ich umgehend Klöpschen als Anzahlung herausgebe. Oder als Kriegsopfer. Denn gegen meine Nerven hat die Bande auf jeden Fall mal wieder gewonnen.

Vielleicht tapezieren wir nächste Woche, wenn ich die Diabetessprechstunden und Kieferorthopädentermine mit den Kindern abgeklappert habe. Weil ich eventuell – aus Versehen – gestern die alte, vollgemalte Tapete im Wohnzimmer von den Wänden gerissen hab. Ich schätze mal, das war eine Übersprunghandlung. Irgendetwas in der Art. Es war so still im Haus. Kein Kind hat geschrien. Der Mann war arbeiten. Es herrschte kein Chaos. Und das konnte ich so nicht stehen lassen.

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4 Kommentare

  1. Herzlich erfrischend geschrieben Doreen. Ich glaube jede Mutter mit mindestens zwei Kindern kann das nachvollziehen! Aber ehrlich ohne solche Aktionen würden wir doch als Eltern was vermissen!

    1. wir würden den Lärm und das Chaos vermissen, die hinterlistigen Pläne… und das Lachen, liebhaben und unfassbar süß aussehen, wenn sie schlafen <3

  2. Doreen du bist einfach herrlich herzlich erfrischend! Ich muss jedes Mal grinsen wenn ich deinen Blog lese. Und ja es ist so Kinder treiben einen manchmal in den Wahnsinn, zerstören alles was ihnen im Weg liegt, Sorgen für Chaos aber sind unbezahlbar! Mach weiter so dann!

  3. Herrlich, Du hast so recht und schreibst alles auf das es erfrischend leicht und lustig klingt.
    Mehr davon!

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