Familienausflug. Warum.

Eigentlich, ja eigentlich, sollten wir es nach fast zwei Jahrzehnten Elternschaft besser wissen. Aber manchmal rennt man halt lachend und mit Schwung in eine Kreissäge. Oder plant einen Ausflug zum Freizeitpark mit den Kindern. Soll ja ein Spaß für die ganze Familie sein. Ist es aber nicht. Und ich erklär euch auch gerne weshalb. Jetzt.

In diesem Jahr kamen wegen unserem neuen besten Freund Corona (ach ehrlich, fick dich doch!) und dem Arbeitsplatzwechsel meines Mannes mitten im Sommer keine Familienferien infrage. Wir haben uns stattdessen gedacht, Tagesausflüge mit den Kindern sind doch auch ganz schön, haben uns auf die Schultern geklopft und zufrieden Chips gefressen… und hatten keine Ahnung wie doof wir doch sind.

Nach dem wir in den letzten Jahren schon im Freizeitpark Plohn und im Freizeit-Land Geiselwind mit den Kindern waren und es dort unglaublich viele Attraktionen für die Kleinen und Kleinsten gibt, wir uns dort richtig schön ausgepowert haben und Spaß hatten, dachten wir uns: „Ach komm, noch ne Runde! Das wird toll. Dieses Mal Belantis!“ Himmel, Arsch und Zwirn, wir sind echt nicht mehr zu retten. Zunächst einmal kaufst du Tickets für zwei Erwachsene und drei Kinder, die echt teuer sind. Dann planst du die Route. Kaufst Snacks und Getränke, packst die Rucksäcke, schmierst Brote und schneidest Äpfel. Packst Gesichtsmasken ein, Wechselkleidung und Kotztüten.

Bisschen lernfähig bin ich ja doch. Da unserer Jüngsten pünktlich bei Kilometer 10 schlecht wird und sie zum ersten Mal erbricht – auf sich, ihre Geschwister, die Kindersitze – habe ich in diesem Jahr Kotztüten gekauft und ins Auto gepackt. Konnte ja keiner damit rechnen, dass dann alle drei hinten im Auto mit den Köpfen über den Kotztüten sitzen und freudig darauf warten, dass sie losbrechen können. Nach fünfzig Kilometern haben wir dann zum ersten Mal die Tüten ausgetauscht. Begleitet vom lautstarken Lamento, wann wir denn endlich ankommen würden. Und überhaupt bin ich eine Kackamama, weil ich keine Chips eingepackt habe und überhaupt, jetzt ist dem Kind schlecht. Und da bist du noch gar nicht am Ziel angekommen und schon reif für die Insel.

Der nächste Supergau wartet dann am Parkeingang selbst, wir sind zehn Minuten zu früh dran, das Maskottchen hat die Parktore noch gar nicht geöffnet und wir stehen am Haupteingang und warten neben – ja, genau – dem Souvenirshop des Parks und alle drei Kinder wollen jetzt unbedingt eine Harry Potter-Puppe. Warum verkaufen die da Harry Potter-Kram? Der Zaubertyp kommt im gesamten Park nicht einmal vor. Warum machen die sowas? Hassen die Eltern?

Bevor der Marder, der Biber, was weiß ich, den Park feierlich mit Fanfaren öffnen und das große Schloss am Tor aufschließen konnte, haben sich unsere Kinder, wie kann es auch anders sein, am Schloss zu schaffen gemacht und es geknackt. Aufgeregte Parkmitarbeiter incoming! Schön, schön.

Wusstet ihr, dass man einen ganzen Tag stehend und wartend vor einem kleinen, langsamen Kinderkarussell verbringen kann? Hinter dir die Bimmelbahn, auf dem ein Kind ständig schreit „Stopp! Ich bin weit genug gefahren!“. Gegenüber das Baby-Kettenkarussell, das einsam seine Runden dreht, weil alle auf die Ponys am – richtig – Kinderkarussell wollen vor dem wir gefühlt 34 Jahre warten, bis der Park schließt oder zu Staub zerfällt. Zwischen den einzelnen Themenwelten strategisch günstig Spielbuden aufgebaut, an denen man grotesk große, hässliche Kuscheltiere gewinnen kann… Freizeitparkbetreiber hassen Eltern, oder? Oder?! Und rund um diese Spielbuden lautstarkes Gequengel, dass man jetzt auf der Stelle so ein Kuscheltier gewinnen muss. Und nein. Ach guck, Pommes! Dann die! Oh, ein Kind muss aufs Klo. Okay. Suchste eine Toilette. Bist fertig. Muss das nächste Kind dringend Pipi. Wenn du dir also nicht gerade vor einem Karussell die Beine in den Bauch stehst, wartest du vor einer Toilette auf dein Kind. Oder feuerst es an, wenn es auf der Kinder-Achterbahn mit 20cm/h Fahrt aufnimmt. Dazwischen sagst du „Nein.“ Dann stehst du wieder für Pommes an. Und wenn du Glück hast, ist die nächste Attraktion wieder erst ab 1,40m Körperhöhe zugelassen und du drehst wieder um zum Karussell. In ein paar Jahren und schätzungsweise 20cm Wachstum nehmen wir den nächsten Anlauf, dann lohnt sich das. Der Nervenaufriss, das Eintrittsgeld, die Anfahrt. Die Kotztüten. Dann sind die in der Zahnspangenpubertät und dann wird es gleich nochmal lustiger.

Was ich damit eigentlich sagen will: guckt vorher genauer nach, ob der Park auch was für kleinere Kinder ist, sonst guckt ihr halt einen Tag zu wie sich Ponys im Kreis drehen. Irgendwann lernen wir das auch noch.

Ich schnippel dann auch kein Obst mehr oder schmier Brote, die habe ich abends zu Hause wieder ausgepackt. Waren wie neu. Bisschen durchgezogen und geruchsintensiv. Aber die Bifi Rolls und die Gummibärchen waren alle. Vorbildlich!

P.S. Was ich euch aber uneingeschränkt empfehlen kann: Freizeit- und Erholungspark Possen. Für 7 Euro, können eure Kindern den ganzen Tag auf einer riesigen Hüpfburgenlandschaft herumspringen. Dort gibt es ein Tiergehege mit Braunbären, Rehen, Wildschweinen und den hier bekanntermaßen beheimateten Geparden. Es gibt einen Indoorspielplatz, Puppentheater und einen Streichelzoo. Es gibt einen Kletterwald für Große und einen für Kleine (beide gebührenpflichtig). Man kann dort Natur erleben und auf den Possenturm hochsteigen. Nach dem Freizeitpark Belantis haben wir die drei Kleinsten hoch auf den Possen gekarrt, Bänder für die Hüpfburgen gekauft, uns einen Kaffee geholt und uns die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Das war schlau.

Fotos: www.pexels.com

Entschleunigung im Rückwärtsgang

Wir waren spazieren. Alle. Das bedeutet für den kleinen Ort, in dem wir leben, dass eine lautstarke Völkerwanderung losbricht und man sich zum Schutz von Füßen und Nerven besser hinter der Gardine versteckt. Denn! Die drei Kleinsten fahren Laufrad. Ich bin Chefin meiner eigenen Bikergang. Und da geht man als unbeteiligter Dritter lieber auf zaghaften Abstand. Jeder, der Sons of Anarchy gesehen hat, weiß was ich meine. Drei Kleinkinder auf Laufrädern, zwei genervte Teenager, ein völlig entspannter Papa und eine Mama am Rande des Nervenzusammenbruchs. Der Radweg ist schlagartig voll und nichts geht mehr. Weder vor noch zurück und damit sind wir auch schon beim Kern des Pudels angekommen.

Nichts! Geht! Mehr! Denn da liegen Steine am Wegesrand. Und Grasbüschel wachsen gemächlich vor sich hin. Und die Hundehaufen sehen auch ganz fürchterlich interessant aus. Könnte man näher betrachten, am besten in der Hocke, leicht nach vorne kippend. Überhaupt ist alles interessant. Jeder Fussel, jedes Blatt, jeder Radfahrer, jeder Hund, jeder Stein. Nur Mama und Papa nicht, wenn die was sagen. Das ist das gelebte Rückwärtslaufen, das weltberühmte Hamsterrad. Die Entdeckung der Langsamkeit. Das ist der sagenumwobene Weg zum Schicksalsberg, der so unendlich lang ist, dass man das Gefühl hat nie auch nur in seine Nähe zu kommen. Und wenn doch, dann entpuppt sich ein kleiner Stock als der eine Ring, der Schatz, um den sich drei Gollums zanken. Da kannste schon mal in Embryonalstellung im Feld liegen.

Fünf Kinder bedeuten ja auch fünf unterschiedliche Geschwindigkeiten und Richtungen. Das geht niemals einheitlich nach vorne, sondern immer sternförmig auseinander. Und da ich nicht Elastigirl bin, muss ich Speedy Gonzales und Lastenesel in einem sein. Nach 500 Metern nämlich trage ich zwei Laufräder, habe die Taschen voller Steine und war schon eine Stunde unterwegs. Mein Mann sitzt irgendwo am Wegesrand in der Hocke und beobachtet das Spektakel. Der hat’s raus. Die Zwillinge haben gerade einen Welpen entdeckt, der heute wahrscheinlich zum ersten Mal Gassi geführt wird und das ab sofort zeitlebens verweigern wird. Die Vierjährige brüllt derweil die Teenager an, weil die sich nicht brav untergeordnet haben und hinter ihr hergelaufen sind. Als völlig logische Konsequenz lässt sie ihr Laufrad im Feld fallen. Es ist alles sehr harmonisch.

Die Sonne kitzelt die Seele und in der Ruhe der Natur kann man endlich mal ausspannen. Haha! Könnte man. Allein. In Alaska. Aber nicht hier. Ich belle Befehle und Bitten in fünf Richtungen und werde aus fünf Richtungen ignoriert. Schlafen wäre jetzt schön. Wie Dornröschen.

Unerwarteterweise einigt sich die Kolonne schließlich auf eine gemeinsame Marschrichtung, die nach zehn Metern damit endet, dass die Zwillinge um ein Laufrad streiten. Worte wie „Böse Luna“ und „Neo war das!“ fallen. Nasen laufen. Taschentücher fliegen durch die Szenerie. Nerven bröckeln. Am Ende will keiner damit fahren und beide möchten auf meinen Arm. Klar, ich fahr einfach die Greifer Nummer 3 und 4 aus. Passt schon. Nach produktivem Abwägen aller Möglichkeiten, trage ich den leichteren Zwilling und den anderen hab ich an der Hand. Papa trägt die Laufräder. Die Teenager trotten brav hinter der Vierjährigen her und nach dreistündiger Odyssee durch zwei Häuserblocks und einen kurzen Ausblick auf den Radweg, den ich eigentlich im Blick hatte für die Tour, sind wir wieder am Startpunkt angekommen. Da hätte ich auch einen Marathon laufen können durch den Ural, das wäre weniger anstrengend gewesen. Morgen soll es regnen. Da können wir nicht spazieren gehen. Schade.

Wusstet ihr übrigens, dass man Findlinge auf fremden Grundstücken mit einem leichten Stockhieb und dem Ausruf „Meine!“ in Besitz nehmen kann? Uns gehören jetzt rund 30 riesengroße Steine. Hat jemand ein Katapult und braucht die Dinger?