Legosteine.

Ich erhalte öfter Nachrichten, dass der oder die eine oder andere gerne bei uns mal Mäuschen spielen würde. Um Himmels Willen! Nein! Ihr brecht euch sämtliche Knochen! Ihr klebt am Laminat fest oder rutscht aus. Häuser, in den kleine Kinder leben, sind mörderische Fallen. Nicht für die Kinder. Für die Eltern. Ausgebildete Agenten wären binnen fünf Minuten außer Gefecht gesetzt. Bleibt also mal schön in euren sicheren Wohnungen und Häusern.

Es ist wirklich nicht ohne, sich einen Haushalt mit Nachwuchs zu teilen. Das ist nicht ungefährlich. Es ist laut, bunt, unordentlich, voller Liebe, voller Streit und Missverständnissen. Voller Lachen und Weinen, Gummibärchen und Spaghetti. Es ist jeden Tag aufs Neue eine Büchse der Pandora, die irgendjemand schon vor dem ersten Kaffee öffnet.

Eines hat jeder Tag mit den anderen gemein: du wirst niemals das Chaos beherrschen. Es beherrscht dich. Für immer. Die pastellfarbenen, pampasgrasdekorierten Instagramwelten, in denen Mütter in klinisch sauberen, glänzenden Küchen Muffins und vierstöckige Torten backen und auf Tischen mit Platzsets aus Leinen anrichten, sind Träume! Das wird niemals passieren. Vergiss es einfach! Denn spätestens wenn du die Muffins zum Tisch bringen willst, fliegt unter lautem Gebrüll eine Actionfigur durchs Esszimmer und reißt dein Gebäck mit ins Verderben. Been there. Done that.

Egal wie oft du selbst Spielzeug wegräumst oder deine Kinder anhältst das zu tun, es bleibt immer Spielzeug liegen. Immer. Und das kann so unglaublich gefährlich werden. Gut, ich verneige ich mich inzwischen auch vor der Korrelation steigendes Elternalter zu Spielzeugunfällen. Aber ich bin sicherlich nicht die einzige Mutter auf der Welt, die dank des Spieltriebs ihrer Kinder zur Invalidin wird.

Ich habe meinen Mann schon häufig in der Küche oder dem Esszimmer semi-elegant grätschen sehen, wenn er kleine, feine Pfützen Wasser übersehen hat, die die Kinder durchs Haus haben tropfen lassen, weil sie im Kinderzimmer heimlich eine Strandbar für die Barbies eröffnet hatten. Spagat hat er inzwischen drauf. Fluchen und davon humpeln auch. Das können wir beide inzwischen gut. Aber nach fast zwei Jahrzehnten gemeinsamer Elternschaft ist das auch der geringste Anspruch, den ich an uns stelle. Fluchen mindert zwar die Unfallgefahr nicht. Es hilft allerdings Schmerzen zu veratmen. Ich schwöre.

Jeder und jede kennt den Schmerz, den Legosteine und Barbieschuhe verursachen, wenn man nachts barfuß drauf tritt. Wenn du innerlich schreist, um niemanden zu wecken, dir ein Tränchen aus dem Auge kullert. Das wird an sich ja nur noch getoppt, wenn du in der sicheren Dunkelheit deines Zuhauses auf eine Reißzwecke trittst. Das ist schön!

Wenn die drei kleinen Chaoten hier in ihren Zimmern wieder „The Day After Tomorrow“ oder „Armageddon“ gespielt haben, schiebe ich mir vor Einbruch der Nacht gerne eine Schneise durch das Bodendekor, um halt nicht schmerzhaft überrascht zu werden.

Blöd wird es aber, wenn deine Kinder in der Küche auf der einzigen Treppenstufe dort mit LEGOSTEINEN spielen und du mit einem Korb voller Wäsche um die Ecke kommst, diesen verfluchten gelben Stein nicht siehst und den Sturz deines Lebens hinlegst. Ich habe einen Salto geschlagen, sagt die Überlieferung. Ich habe Sterne gesehen. Und das dienstälteste Kind hat erstmal erschrocken nach offenen Brüchen an meinen Beinen gesucht, nachdem ich mich weinend und schreiend und leicht benommen wieder auseinandergepuzzelt hatte. Ich hatte meinen Meniskusfraktur seit Jahrzehnten gut im Griff. Jetzt warte ich die nächsten vier Wochen auf einen MRT-Termin, der das Ausmaß der neuerlichen Katastrophe ans Licht bringen soll, und hinke derweil übelgelaunt wie ein Pirat durch die Welt. Kennt man ja.

Wisst ihr, was mein kleiner, süßer Sohn in der Zwischenzeit macht? Er läuft vor mir her und streut wie ein Engel Legosteine aufs Parkett!

Ach komm, das wird gut.

Kindertag mit Kindern.

In Thüringen haben wir seit diesem Jahr das Privileg, den Internationalen Kindertag als Feiertag begehen zu können. Arbeitsfrei, schulfrei, kindergartenfrei. Und damit fängt das Dilemma schon an. Denn Feiertage und Wochenenden haben die blöde Angewohnheit, meinen Mann im Internet nach Festen und Veranstaltungen suchen zu lassen, die man mit den Kindern besuchen könnte. Das wird toll! Da gibt es bestimmt auch Hüpfburgen. Lass uns mal die Kinder einpacken und losfahren. Und mit der Zielgenauigkeit eines Trüffelschweins, findet er genau die Veranstaltungen, nach denen mein Nervenkostüm notgerodet werden muss. Und ich weiß das immer schon genau dann, wenn er mir sagt, dass wir heute doch nach Kleinklappersdorf fahren könnten, da wäre ein Kinderfest und da wäre bestimmt was für die Kinder dabei. Fein.

„Ach komm, das wird gut.“ weiterlesen

Das Kindergeburtstags-Protokoll

Liebe Menschen da draußen, Kindergeburtstage sind ja an sich aktiv gelebter Kontrollverlust. Machen wir uns da nix vor. Was bei uns gestern los war, entpuppte sich als wahre Comedy. Gefeiert wurde der Geburtstag unserer Zwölfjährigen – und wer gestern nicht live bei Twitter dabei war, kann es jetzt in chronologischer Reihenfolge nachlesen. Bitteschön:

Die Gäste trudeln ein und marschieren Richtung Esszimmer. Einer der Gäste – nennen wir ihn Paul – sieht die Waffeln: „Waffeln! Sehr gut! Davon ess ich ganz viele!“ Entsetzte Gesichter. Panisch werden Teller mit Waffeln befüllt. Ich schenk mir den ersten Schnaps ein.

„Das Kindergeburtstags-Protokoll“ weiterlesen

Urlaub mit Kindern. Fun. Fun. Superfun!

Ich war im Urlaub. Mit drei Kleinkindern. Einem Teenager. Und meinem Mann. Ratet mal. Ja, genau. Ich brauch Urlaub. Von meinen Kindern. Vielleicht auch von meinem Mann. Auf einer einsamen Insel. Im Pazifik. Gerne Haie drumherum. Dann bleibt es ruhig. Superruhig! Ich habe im Urlaub gelernt, dass ich Ruhe schätze. Sehr sogar.

Alles begann mit der planmäßigen und voller Angst erwarteten Sommerferienzeit der drei Kleinsten vom Kindergarten. Yay! Kinder bespaßen. Rund um die Uhr. Ich freue mich jedes Jahr darauf. Die erste Woche lief ganz gut und das war die Falle, in die wir getappt sind. Denn das veranlasste meinen Mann zu der wunderbaren Idee, ans Meer zu fahren. Nach Polen. Würde bestimmt wunderschön werden: Die Kinder spielen den ganzen Tag im Sand, wir chillen im Strandkorb und am Ende sind alle glücklich. Merkt ihr selber, ne? Warum macht man das? Urlaub mit Kindern? Finde mal von jetzt auf gleich eine Unterkunft für sieben Personen. Last Minute. Am Meer. In der Hauptsaison. An dem Wochenende, ab dem in allen Bundesländern Sommerferien sind.

„Urlaub mit Kindern. Fun. Fun. Superfun!“ weiterlesen

Das! Ist! Sparta!

Manchmal kommen mein Mann und ich auf ganz wunderliche Ideen. Das bleibt bei fünf Kindern nicht aus. Denn ohne Schaden überlebt man das Zusammenleben mit zwei Teenagern und drei Kleinkindern halt einfach nicht. Vor kurzem kam der Gatte ja auf die grandiose Idee bei laufendem Betrieb die Küche umzubauen. Das zieht sich jetzt seit Februar, aber es wird. Es ist abenteuerlich, aber wir sehen da sowas wie ein Ziel. Vor ein paar Tagen aber waren wir ganz schlau: er geht mit den Teenies Schuhe kaufen und ich koche zu Hause im Beisein der „Drillinge“ das Abendessen. Wird easy peasy. Ganz entspannt. Erinnert ihr auch an die Szene aus „300“, in der Leonidas „THIS IS SPARTA!“ brüllt? Solche Szene spielen sich hier ab, wenn die Kinder merken, dass sie jetzt leichtes Spiel haben. Das sind Szenen eines Peloponnesischen Krieges würdig, in dem wir Eltern – ganz klar – die griechischen Verlierer sind.

Nun hat sich die Zahl der Streitkräfte auf beiden Seiten aber gedreht. Und wir sind selbst schuld. Dass wir gegen die Kinderzahl im Haus unterlegen sein könnten, haben wir schon kurz nach Geburt unseres ersten gemeinsamen Kindes bemerkt. Das ging strategisch aber noch ganz gut auf. Dann wurde ich – hoppla – nochmal schwanger und wir sahen unsere Felle sanft davonschwimmen. Bis zum dem Moment als feststand, dass es Zwillinge werden. Fünf gegen zwei. Wir liegen seither öfter in Embryonalstellung hinter der Tür, in der Hoffnung von keinem der Kinder hier entdeckt zu werden. Aber das geht leider nicht immer, denn diese Folterspezialisten, von denen zwei gerne mal über mehrere Tage das gleiche Paar Socken tragen, damit sich ein tränengasartiger Geruch entwickeln kann und die übrigen drei Stimmfrequenzen haben, die Erdbeben auslösen können, müssen ja auch mal eingekleidet werden. Denn: Wachsen tun sie ja auch noch unablässig. Das ist eine Kriegslist. Also haben mein Mann und ich uns aufgeteilt. Zwei gegen einen und drei gegen eine.

Ob wir manchmal bekloppt sind? Ja. Ob wir nach fast zwei Jahrzehnten Elternschaft immer noch reichlich blöde Anfängerfehler machen? Klar! Ob wir die chaotische Wucht unserer Kinder ein ums andere Mal unterschätzen? Logo!

Also fährt der Mann entspannt mit den großen Mädchen los zu Reno und ich sortiere mir die Töpfe auf die neue Induktionskochplatte. Das klingt in der Theorie immer alles ganz hübsch, wenn da nicht die Praxis wäre. Schon mal mit Teenagern shoppen gewesen? Nur Weisheitszähne ziehen lassen ist schöner. Aber von diesem Drama in vier Akten bekomme ich hier nichts mit, denn in meiner Küche piept es fürchterlich laut, umrahmt vom Geschrei der Zwillinge, die mir unter arhythmischem Geklapper ihre Töpfchen in den Weg stellen. Das Piepen kommt entweder von der Dunstabzugshaube oder dem Kochfeld, aber da leuchtet nix. Nach einiger audiophiler Verwirrung steht fest, Neo! Konstantin! Gaede! hat den Wecker am neuen Backofen gestellt. Das kann er also auch. Während ich Kartoffeln schäle, holen die Zwillinge kleine Hocker herbei und stellen sich links und rechts von mir auf, um – besser als jeder Sportkommentator – meine Arbeit zu beschreiben. Long story short: Ich bin eine böse Mama. Weil ich das Kochfeld wieder einschalte, nachdem die dunklen Herrscher es ausschalten. Immer abwechselnd. Einer steigt auf den Hocker und schaltet aus. Der andere wartet und applaudiert. Nachdem ich klargestellt habe, dass ich die Kontrolle über den Herd habe, drehen sie mir beleidigt den Rücken zu und ziehen ab. In der nun folgenden fünfminutigen Stille kann ich zwar die Klöpschen formen und in die Pfanne legen, die Kartoffeln aufsetzen und die Dose frischgeernteter Erbsen in einen Topf gießen, aber ich habe auch in jeder verdammten Sekunde Panik, dass die zwei irgendwas anstellen. Und da fällt mir ein: Wo ist die Dritte?

Das dritte Kind sitzt leise summend im Wohnzimmer und malt mit meinem Lippenstift wunderschöne impressionistische Gemälde auf die weiße Kommode. Bei dem Anblick hebt sich seltsamerweise nicht mal mein Puls an – das nennt man dann wohl Konditionierung. Wenigstens hat es dieses Mal nicht den Fernseher getroffen. Ich nehme ihr also den Lippenstift ab und verweise auf das Malbuch, das auf dem Tisch liegt und renne wieder in die Küche. Denn: da piept es! Schon wieder. Dieses Mal ist es nicht der Wecker am Backofen. Nein, das Induktionskochfeld piept. Hätte ich ja gleich draufkommen können. Nur habe ich nicht den Hauch einer Ahnung weshalb. Diese verfluchte Technik! Ich will doch nur Klöpschen braten! Und wo sind die Zwillinge hin?

Die stehen im Kinderzimmer und ziehen sich gerade die Windeln aus. Voll schön. Dann brennt jetzt halt die Küche, aber Zwillinge ohne Windeln am Bobbes sind riskanter als jede Rauchentwicklung auf dem Herd. Nachdem ich beiden frische Windeln angezogen habe und zurück in die Küche stolpere, um festzustellen, dass es immer noch piepst, kommen die Teenager mit halbwegs glücklichen Gesichtern zur Tür rein. Der Mann hingegen wirkt etwas blass. Das ist dann aber auch der Moment, in dem ich sage, dass ich nie wieder koche, wenn ich mit den drei Kleinsten allein zu Hause bin und meine große Tochter mit leicht genervtem Blick zum Herd geht, das Wasser vom Kochfeld wischt und sagt: „Mann, Mama! Die Platte war nass. Dann geht der Alarm los. Stell das doch mal ab.“ Klar, die Platte quakt, wenn Wasser draufkommt. Warum wusste ich das nicht? Wer erfindet sowas? Warum weiß der Teenie das? Kann ich jetzt ins Bett? Und woher kommen die Schutzgelderpresser hinter mir plötzlich her? Die Zwillinge – nämlich – haben die 3D-Brillen aus der Schublade gekramt und sehen damit fürchterlich gefährlich aus. So gefährlich, dass ich umgehend Klöpschen als Anzahlung herausgebe. Oder als Kriegsopfer. Denn gegen meine Nerven hat die Bande auf jeden Fall mal wieder gewonnen.

Vielleicht tapezieren wir nächste Woche, wenn ich die Diabetessprechstunden und Kieferorthopädentermine mit den Kindern abgeklappert habe. Weil ich eventuell – aus Versehen – gestern die alte, vollgemalte Tapete im Wohnzimmer von den Wänden gerissen hab. Ich schätze mal, das war eine Übersprunghandlung. Irgendetwas in der Art. Es war so still im Haus. Kein Kind hat geschrien. Der Mann war arbeiten. Es herrschte kein Chaos. Und das konnte ich so nicht stehen lassen.