Liebe Menschen da draußen, Kindergeburtstage sind ja an sich aktiv gelebter Kontrollverlust. Machen wir uns da nix vor. Was bei uns gestern los war, entpuppte sich als wahre Comedy. Gefeiert wurde der Geburtstag unserer Zwölfjährigen – und wer gestern nicht live bei Twitter dabei war, kann es jetzt in chronologischer Reihenfolge nachlesen. Bitteschön:
Die Gäste trudeln ein und marschieren Richtung Esszimmer. Einer der Gäste – nennen wir ihn Paul – sieht die Waffeln: „Waffeln! Sehr gut! Davon ess ich ganz viele!“ Entsetzte Gesichter. Panisch werden Teller mit Waffeln befüllt. Ich schenk mir den ersten Schnaps ein.
Ich war im Urlaub. Mit drei Kleinkindern. Einem Teenager. Und meinem Mann. Ratet mal. Ja, genau. Ich brauch Urlaub. Von meinen Kindern. Vielleicht auch von meinem Mann. Auf einer einsamen Insel. Im Pazifik. Gerne Haie drumherum. Dann bleibt es ruhig. Superruhig! Ich habe im Urlaub gelernt, dass ich Ruhe schätze. Sehr sogar.
Alles begann mit der planmäßigen und voller Angst erwarteten Sommerferienzeit der drei Kleinsten vom Kindergarten. Yay! Kinder bespaßen. Rund um die Uhr. Ich freue mich jedes Jahr darauf. Die erste Woche lief ganz gut und das war die Falle, in die wir getappt sind. Denn das veranlasste meinen Mann zu der wunderbaren Idee, ans Meer zu fahren. Nach Polen. Würde bestimmt wunderschön werden: Die Kinder spielen den ganzen Tag im Sand, wir chillen im Strandkorb und am Ende sind alle glücklich. Merkt ihr selber, ne? Warum macht man das? Urlaub mit Kindern? Finde mal von jetzt auf gleich eine Unterkunft für sieben Personen. Last Minute. Am Meer. In der Hauptsaison. An dem Wochenende, ab dem in allen Bundesländern Sommerferien sind.
Die Kinderärztin vom Kassenärztlichen Notdienst setzt ein ernstes Gesicht auf: „Versprichst du mir, dir nie wieder eine Murmel ins Ohr zu stecken? In die Nase auch nicht?“ Die Vierjährige schaut auf ihre Schuhe und zuckt mit den Achseln: „Nein.“ O.k. Und hey, super, dass sie jetzt weiß, Murmeln passen auch in Nasenlöcher. Danke!
Wie ist euer Notaufnahme-Schnitt mit Kindern? Wir sind das vor ein paar Tagen mal durchgegangen. In fast 14 Jahren mit inzwischen fünf Kindern kommen wir auf zweimal Notaufnahme. „Kein schlechter Schnitt“, sag ich und bereu es sofort. Eltern kennen die Regel: freust du dich über das Ausbleiben von Katastrophen treten sie augenblicklich ein. Logisch.
Kennt ihr das? Ihr liegt nachts wach – am Fußende eurer Bettes, weil der Kopfteil von einem Kind quer liegend blockiert wird – und denkt darüber nach, was noch zu erledigen ist und welche Termine anstehen? Dass ihr den halbjährlichen Kontrolltermin für sieben Personen beim Zahnarzt vereinbaren müsst und der Augenarzttermin in zwei Wochen auf den Nachmittag fällt, was bedeutet, dass ein Kleinkind im Kindergarten bleibt und der Papa es nach der Arbeit abholen muss und damit fangen die Schwierigkeiten schon an. Kennt ihr das? Ich hab das jede Nacht. Ich zähle keine Schafe. Ich zähle Termine.
Es gibt keine Zeit im Jahr, die ich mehr fürchte als zusammenhängende Feiertage. Kaum hab ich Weihnachten überlebt, klopft der Osterhase an die Tür. Wie ich dieses Langohr hasse! Schulferien, Feiertage, Kinder zu Hause! Ich liebe diese kleinen Terroristen. Ja, wirklich. Jeden. Einzeln. Nur als Zusammenrottung sind die schlimmer als jede Horde Zombies. Die rollen einfach über alles drüber, zerstören, schlachten aus, richten Unheil an und sind dabei so fürchterlich laut am lachen. Jeder Horrorfilm ist Kinderkacke dagegen! Was nun folgt ist eine Chronik meines körperlichen und geistigen Zerfalls über die Feiertage.
Wir waren spazieren. Alle. Das bedeutet für den kleinen Ort, in dem wir leben, dass eine lautstarke Völkerwanderung losbricht und man sich zum Schutz von Füßen und Nerven besser hinter der Gardine versteckt. Denn! Die drei Kleinsten fahren Laufrad. Ich bin Chefin meiner eigenen Bikergang. Und da geht man als unbeteiligter Dritter lieber auf zaghaften Abstand. Jeder, der Sons of Anarchy gesehen hat, weiß was ich meine. Drei Kleinkinder auf Laufrädern, zwei genervte Teenager, ein völlig entspannter Papa und eine Mama am Rande des Nervenzusammenbruchs. Der Radweg ist schlagartig voll und nichts geht mehr. Weder vor noch zurück und damit sind wir auch schon beim Kern des Pudels angekommen.
Nichts! Geht! Mehr! Denn da liegen Steine am Wegesrand. Und
Grasbüschel wachsen gemächlich vor sich hin. Und die Hundehaufen sehen auch
ganz fürchterlich interessant aus. Könnte man näher betrachten, am besten in der
Hocke, leicht nach vorne kippend. Überhaupt ist alles interessant. Jeder
Fussel, jedes Blatt, jeder Radfahrer, jeder Hund, jeder Stein. Nur Mama und
Papa nicht, wenn die was sagen. Das ist das gelebte Rückwärtslaufen, das weltberühmte
Hamsterrad. Die Entdeckung der Langsamkeit. Das ist der sagenumwobene Weg zum
Schicksalsberg, der so unendlich lang ist, dass man das Gefühl hat nie auch nur
in seine Nähe zu kommen. Und wenn doch, dann entpuppt sich ein kleiner Stock
als der eine Ring, der Schatz, um den sich drei Gollums zanken. Da kannste
schon mal in Embryonalstellung im Feld liegen.
Fünf Kinder bedeuten ja auch fünf unterschiedliche Geschwindigkeiten
und Richtungen. Das geht niemals einheitlich nach vorne, sondern immer
sternförmig auseinander. Und da ich nicht Elastigirl bin, muss ich Speedy
Gonzales und Lastenesel in einem sein. Nach 500 Metern nämlich trage ich zwei
Laufräder, habe die Taschen voller Steine und war schon eine Stunde unterwegs.
Mein Mann sitzt irgendwo am Wegesrand in der Hocke und beobachtet das Spektakel.
Der hat’s raus. Die Zwillinge haben gerade einen Welpen entdeckt, der heute
wahrscheinlich zum ersten Mal Gassi geführt wird und das ab sofort zeitlebens
verweigern wird. Die Vierjährige brüllt derweil die Teenager an, weil die sich
nicht brav untergeordnet haben und hinter ihr hergelaufen sind. Als völlig
logische Konsequenz lässt sie ihr Laufrad im Feld fallen. Es ist alles sehr
harmonisch.
Die Sonne kitzelt die Seele und in der Ruhe der Natur kann
man endlich mal ausspannen. Haha! Könnte man. Allein. In Alaska. Aber nicht
hier. Ich belle Befehle und Bitten in fünf Richtungen und werde aus fünf Richtungen
ignoriert. Schlafen wäre jetzt schön. Wie Dornröschen.
Unerwarteterweise einigt sich die Kolonne schließlich auf
eine gemeinsame Marschrichtung, die nach zehn Metern damit endet, dass die Zwillinge
um ein Laufrad streiten. Worte wie „Böse Luna“ und „Neo war das!“ fallen. Nasen
laufen. Taschentücher fliegen durch die Szenerie. Nerven bröckeln. Am Ende will
keiner damit fahren und beide möchten auf meinen Arm. Klar, ich fahr einfach
die Greifer Nummer 3 und 4 aus. Passt schon. Nach produktivem Abwägen aller
Möglichkeiten, trage ich den leichteren Zwilling und den anderen hab ich an der
Hand. Papa trägt die Laufräder. Die Teenager trotten brav hinter der Vierjährigen
her und nach dreistündiger Odyssee durch zwei Häuserblocks und einen kurzen
Ausblick auf den Radweg, den ich eigentlich im Blick hatte für die Tour, sind
wir wieder am Startpunkt angekommen. Da hätte ich auch einen Marathon laufen können
durch den Ural, das wäre weniger anstrengend gewesen. Morgen soll es regnen. Da
können wir nicht spazieren gehen. Schade.
Wusstet ihr übrigens, dass man Findlinge auf fremden
Grundstücken mit einem leichten Stockhieb und dem Ausruf „Meine!“ in Besitz nehmen
kann? Uns gehören jetzt rund 30 riesengroße Steine. Hat jemand ein Katapult und
braucht die Dinger?
Wisst ihr, wie toll es ist Kinder mit Rotznasen und Husten zu haben? Wenn die Kleinsten krank sind und alle deshalb schlecht schlafen? Dann treffe ich morgens blöde Entscheidungen – wie das noch müde Kleinkind vom Kindergarten abzumelden. Ach, die anderen beiden ja auch. Soll ja lustig werden. Klingt harmlos. Ist es aber nicht! Es entwickeln sich im Anschluss Situationen, die man nur kennt, wenn man so dämlich ist Gremlins nach Mitternacht zu füttern.
Einer der Zwillinge kotzt mein Müsli ins Wohnzimmer, als ich kurz im Bad bin. Wollte ich zwar essen, eignet sich aber wohl besser als Trittschalldämmung. Danach ziehen beide weiter in die Küche, um sich Alufolie um den Kopf zu wickeln, die der Papa in der morgendlichen Eile in durch Hocker stapeln erreichbarer Höhe auf der Arbeitsplatte liegen ließ. Zwilling 1 verreibt sich ständig den Nasenschnodder im Gesicht und auf dem Laminat und den Wänden und Zwilling 2 zieht überall Kabel raus und Nachttischlampen runter. Als ich den beiden in der Küche etwas zu trinken gebe, sitzt die Vierjährige derweil entspannt im Kinderzimmer unterm Tisch und schmiert alles mit Linola ein. Der Teppich dort wird nie wieder unter trockener Haut leiden.
Anschließend räumen die „Drillinge“ alles, wirklich alles, vom Kinderzimmer ins Wohnzimmer. Wie eine beschwipste Ameisenkolonie. Schleichtiere verursachen höllische Schmerzen, wenn man drauf tritt. Wusstet ihr das? Zwischen all dem Spielzeug finden sie blaue Kreide, die offenbar richtig gut schmeckt. „Braveheart“ haben sie zwar nie gesehen, aber die Visagisten könnten sich noch heute gute Tipps bei meinen Kindern holen.
Während ich mit den Zwillingen diskutiere, dass es doch einfacher wäre, das Spielzeug im dafür vorgesehenen Raum zu lassen, klettert die Vierjährige im Schlafzimmer über diverse Möbel, um an mein Mascara auf der hohen Kommode zu kommen und das Sofa im Wohnzimmer damit einzuschmieren. Es hat von nun an die schönsten Wimpern im gesamten Landkreis. Für immer. Geht nicht raus. Was soll’s. Passt nun wunderbar zu meinem ehemals cremefarbenen Bürostuhl, den jetzt expressionistische Werke zieren, die liebevoll mit Papas wasserfester Edding-Sammlung angebracht worden sind. Jackson Pollock würde applaudieren. Die Edding Marker standen übrigens auf dem höchsten Regal im Büro. Aber hey! Wenn man einmal die hohe Kommode im Schlafzimmer erklommen hat, ist das Regal überm Schreibtisch ein Klacks.
Kinder bereichern unser Leben, machen es bunter (oder schwarz wie mein Mascara von Lancôme) und schöner (sagt das Sofa). Ich kann mir ein Leben ohne Kinder gar nicht mehr vorstellen. Ich weiß auch gar nicht wie das ist ein sauberes Sofa und intakte Tapeten zu haben. Ist sicherlich langweilig, ne. Aber vielleicht machen die Monster (eh, Kinder) ja gleich Mittagsschlaf, dann kann ich kurz aufräumen (Schnaps trinken) und die Füße hochlegen (weg rennen).
Ich geh jetzt weinen. Leise. In Embryonalstellung. Unten neben der Waschmaschine, die heute bereits die dritte Runde läuft, weil die Bettwäsche die liebevolle Massage mit Schokolade nicht so gut verkraftet hat wie die Kleinsten vielleicht dachten.
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