The smallest man who ever lived

Kennen wir nicht alle einen kleinen Mann1? Einen Mann, der unser Leben tief geprägt und Spuren hinterlassen hat, die wir nicht einfach wegwaschen können? Ein Mann, der uns Narben zugefügt hat, die nur langsam verblassen. Von dem wir dachten, er sei die Liebe unseres Lebens. Die Luft, die wir zum Atmen brauchen? Der eine Mensch, mit dem wir alt und faltig und Händchen haltend auf einer Parkbank sitzen und in den Sonnenuntergang blicken wollten?

Ach, scheiß drauf. Wir sind besser dran ohne diesen kleinen Mann. Ohne diesen Menschen, der Kraft nur daraus schöpft andere klein zu halten. Der ohne das kleinste Anzeichen Streit vom Zaun bricht oder uns mit Silent Treatment für Dinge bestraft, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie getan oder gesagt haben. Wir sind besser dran ohne diesen Menschen, der uns betrügt und uns anschließend in Silberzungen erklärt, dass wir uns geirrt haben. Dass wir Gespenster sehen. Dass da nichts ist und wir aufhören sollen zu spinnen. Wir sind besser dran ohne den kleinen Mann, vor dem uns Freunde und Familie gewarnt haben. Der Mann wegen dem unsere Verwandten nicht an unserer Hochzeit teilnehmen, weil sie sie nicht gutheißen. Wir sind besser dran ohne die roten Flaggen, die unsere Sicht versperren.

Wir brauchen keinen Mann, der glaubt, arbeiten zu gehen, sei der einzige Beitrag, den er leisten müsse in einer Partnerschaft. Dass er sich bei Kinderbetreuung, Erziehung, Wäsche, Arztterminen, Elterngesprächen, Kochen und Aufräumen raushalten kann, weil er – ja – arbeiten geht. Wir brauchen keinen Mann, der uns sagt, dass wir nur Urlaub machen wollen, wenn wir hochschwanger im Krankenhaus liegen, weil unsere Babys zu früh kommen wollen. Wir brauchen keinen Mann, der fremdgeht, während wir um das Leben unserer ungeborenen Kinder bangen. Wir brauchen keinen Mann, der uns lachend fragt, ob wir nicht auch mal hinter einem fahrenden Auto hergeschleift werden wollen.

Wir brauchen keinen Mann, der uns mit Drohen, Weinen, Verzweiflung davon abbringt, uns scheiden lassen zu wollen. Nein.

Wir brauchen keinen Mann, der uns sagt, dass wir nutzlos sind. Dass wir weniger wert als der Dreck unter seinem Fingernagel sind. Dass wir das Geld für ein neues Auto, mit dem wir seine Kinder zu Arztterminen fahren müssen, nur bekommen, wenn wir uns “entsprechend” verhalten. Wir brauchen keinen kleinen Mann, der so erbärmlich ist, dass er uns emotional erpressen muss. Wir brauchen niemanden, wirklich niemanden, der erst dann freundlich zu uns ist, wenn er einen Orgasmus hatte. Wir brauchen keine Machtspiele. Machtspiele sind für kleine, traurige Männer.

Wir brauchen keinen Mann, der es nicht akzeptiert, wenn wir uns von ihm trennen.
Wir brauchen keinen Mann, der Freunden sagt das sei “nur eine Phase”.
Wir brauchen keinen Mann, der in unserer Abwesenheit das Haus leer räumt.

Brauchen wir nicht.

Was wir brauchen?
Die Einsicht, dass sein Verhalten nicht unser Fehler war.

Was wir bekommen?
Ruhe im Geist, wenn der Teufelskreis der Fragen nach der eigenen Schuld endet.

Was wir irgendwann wieder haben werden?
Vertrauen, dass nicht jeder Mann ist wie dieser eine kleine Mann, der unser Leben so entscheidend geprägt hat.

“And I’ll forget you, but I’ll never forgive
The smallest man who ever lived”
– Taylor Swift (The Smallest Man Who Ever Lived / THE TORTURED POETS DEPARTMENT, 2024)

Foto: Stockphoto www.pexels.com

  1. Auch Frauen können kleine Männer sein und jene, denen dieser Schuh passt, sind hier liebevoll inkludiert. ↩︎

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2 Kommentare

  1. Mutig entschieden und sehr gut geschrieben

  2. Ach Doro…mir fehlen gerade echt die Worte! (Und das kommt selten vor, glaub mir!) Ich freue mich sehr für Dich, dass diese Kleine-Mann-Geschichte für Dich endlich beendet ist und hebe mein Glas auf Deine Zukunft. Cheers, Queen! Unglaublich, wie Du das gerockt hast. Ich wünsche Dir und Deinen Liebsten von Herzen alles Liebe & Gute. LG, Deine Sandra

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