Wohnung 14b

Während meines Studiums an der Universität Erfurt habe ich einige Seminare zum Kreativen Schreiben besucht und hier und da fiel eine kleine Kurzgeschichte herunter. Nach und nach werde ich die Geschichten hier veröffentlichen. “Wohnung 14b” ist die erste. Sie ist siebzehn Jahre alt.

Die geschäftigen Geräusche aus der Küche hatten etwas wunderbar Beruhigendes. Diese kleinen, alltäglichen Geräusche bedeuteten ihm alles. Müde vom Tag und zufrieden lehnte er sich in seinem Sessel zurück, legte seine Füße auf den alten, abgewetzten Hocker vor sich. Er gönnte seinen Socken eine eingehende Betrachtung. Diese alte, löchrigen Socken, die seine Frau nach jedem Waschgang aussortierte, die er immer wieder in der Waschküche in dem kleinen Korb neben dem Trockner fand und wieder anzog. Und immer wieder sortierte sie die abgenutzten Strümpfe aus. Es schien beinahe ein Ritual zwischen den beiden zu sein.

Er benötigte keinen Fernseher, kein Radio. Alles, was ihn umgeben musste, war das Wissen, dass sie da war. Die Liebe seines Lebens. Alfred war ein glücklicher, alter Mann. Hoffnungslos verliebt in seine Frau. Seit 41 Jahren, fünf Monaten, siebzehn Tagen und vier Stunden. Er hatte vor langer Zeit begonnen sein Glück zu zählen und war sehr zufrieden damit.

“Alfred?” Die Stimme seiner Frau durchbrach seine Gedanken. “Liebling, deckst du bitte den Tisch?” Alfred erhob sich träge und spähte in die Küche. Emma war gerade dabei die Kartoffeln abzugießen. Er ging hinüber zu ihr und gab ihr einen Kuss aufs Haar. So wunderschön ergraut. Duftend. Weich. Ohne seinen Blick von ihr zu wenden, ging er hinüber zur Anrichte und öffnete die Blumenmustern verzierten Glastüren. Er nahm zwei Teller heraus und ging damit zurück ins Wohnzimmer. Er legte die Teller auf ihre angestammten Plätze und wandte sich zu Buffetschrank, um das Besteck und die Gläser zu holen.

“Wollen wir heute Abend ein Glas Rotwein trinken?”, rief er seiner Frau zu. Sie klapperte in der Küche mit Schüsseln herum und hörte ihn scheinbar nicht. Gemächlich durchquerte er den Raum, um eine Flasche Rotwein aus dem Regal Flur zu holen. Mit einem Pfeifen auf den Lippen kehrte er zum Tisch zurück und stellte die Flasche ab. “Lass uns morgen in den Garten fahren. Die Johannisbeeren müssten reif sein.” Seine Frau blickte kurz aus der Küche heraus und antwortete ihm: “Ja.” Suchend blickte er sich um.

“Wo ist der Korkenzieher hin?”
“In der Schublade am Buffet.”

Alfred nahm den Korkenzieher aus der Schublade und entkorkte die Flasche. Dann schnupperte er genüsslich in Richtung Küche: “Oh, das riecht so gut.” Noch bevor Emma etwas erwidern konnte, hörte sie ein dumpfes Geräusch aus dem Wohnzimmer.

“Alfred?”

Und während draußen auf dem Korridor eine kleine Frau mit roten Locken an der Wohnung vorbeilief, gingen hinter dieser Tür glückliche 41 Jahre, fünf Monate, siebzehn Tage, vier Stunden und 23 Minuten zu Ende.

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2 Kommentare

  1. Das ist so warmherzig geschrieben, so schön formuliert. Es ist einfach und doch bewegend.
    Danke, dass du das geheilt hast.

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