Sticken ist auch Kampfsport.

Sticken, Häkeln, Nähen, Stricken – das sind alles olympische Disziplinen, die in meiner Familie eine lange Tradition haben. Meine Oma hat mir als Kind Röcke genäht, meine Mutter die passenden Jäckchen dazu gestrickt. Ich sah immer aus wie eine bockige Porzellanpuppe mit Pilotenbrille unterm Pony. Meine Uroma hat diese kleinen fiesen Tischdeckchen und Untersetzer geklöppelt, die unter jedem Glas, jeder Vase in der Schrankwand lagen und nach dem Staubwischen am Samstag immer wieder akkurat an ihren Platz gelegt werden mussten. Auf den Sofalehnen lagen bestickte Decken, auf den Sofas Kissen mit gehäkeltem Bezug. Das war alles ganz wildromantisch. 

Als ich mit meiner ersten Tochter schwanger war, riet mir meine Oma, einen Schal zu stricken, wenn der fertig sei, würde sich das Kind auf den Weg machen. Es wurden zwei Schals. Und sie sahen eher aus wie sehr langgezogene Dreiecke. Ich erinnere aber noch genau, wie ich mit meiner Schwester und meiner Mutter abends im Wohnzimmer saß und wir zu dritt strickten und sehr viel lachten. Meiner Mutter hüpften die einzelnen Reihen und Muster ganz unbeschwert von der Nadel. Meine Schwester und ich gingen eher verbissen und mit Todesverachtung an die Sache heran. Unsere Schals hätten auch durchaus als Indiana Jones‘ Peitsche durchgehen können, so straff hatte ich die Maschen gehalten. Ne Hundeleine hätte man auch draus machen können. Egal. Immerhin waren sie farbenfroh, azurblau und baustellenorange. Worauf ich aber hinaus will: Ich bin absolut ungeeignet und untalentiert für jegliche Art von Handarbeiten.

Wenn ich eine Leggings reparieren will, weil sie sturzbedingt ein Loch am Knie hat, wickelt sich meist das Garn in ärgster Verzweiflung zu einem klumpigen Ball geformt um die Hose und entwickelt ein reges Eigenleben. Das Loch ist dann noch da, größer und ausgefranster als vorher, aber zumindest ist das Garn alle und die Nadel kaputt. Ich kaufe sehr viele Hosen und Strumpfhosen nach. Naja,

Meine Schwester hat nach der Geburt ihres ersten Kindes ihre Vorliebe für Schnittmuster und Nähmaschinen entdeckt. Meine Mutter strickt noch immer in regelmäßigen Abständen Mützen, Stirnbänder, Pullover und Jacken für ihre Enkel. Und ich weiß im Ernstfall nicht mal wo der Nähkasten ist. Jede von uns so gut sie kann.

Long story short: In Handarbeiten bin ich also eine veritable Niete. Aber ich gebe nicht auf. Und alle paar Jahre vergesse ich, dass ich es nicht kann und versuche es erneut. Ich bin meine eigene Sitcom. Und mein neuester Streich ist Sticken. Juhu!

Vor einiger Zeit habe ich mir im Fieberwahn einen Stickrahmen, Anleitungen und Garn gekauft und mir ganz naiv gedacht, dass das bestimmt sehr schön und entspannend werden würde. Ich bin mir halt manchmal selbst im Weg. Und das ist für alle anderen sehr unterhaltsam. Eine Woche lang hab ich mir die Verpackung angesehen und immer wieder weggepackt. Heute habe ich die Packung geöffnet. Und damit fängt das Drama an. Da sind ja total viele, miteinander verschlungene Fäden drin! Und winzige Nadeln! Man muss das Stück Stoff irgendwie straff im Rahmen befestigen und das flutscht mir immer weg und an der Stelle bin ich raus. Dieser blöde Rahmen verzieht sich zu einem Ei und der Stoff schlägt Falten. Und dann ist das auch gar nicht immer der gleiche Stich, da gibt es Unterschiede! Warum sagt mir das niemand bevor ich den Kram kaufe?

Das Garn ist dick und ich nehm es doppelt auf die Nadel. Das macht lustige Berge auf dem Stoff und das Garn schnell alle. Außerdem kneife ich die Augen wie eine kleine, blinde Oma zusammen, um besser zu sehen… und, seien wir mal ehrlich, aktuell bin ich näher an Oma dran als an meinem tatsächlichen biologischen Alter. Obwohl, das könnte hinkommen. Ach je, lassen wir das. Ich sticke jedenfalls. Und zersteche mir die Fingerkuppen. Und fluche. Alles sehr poetisch.

Damit die ganze Angelegenheit auch gar nicht Spaß macht, fange ich natürlich mit einem dunkelblauen Stück Stoff an und dunkelgrünem Garn. Ich kneife nicht nur angestrengt die Augen zusammen, ich weiß auch gar nicht wo sich die Nadel gerade befindet und sehe das dunkelgrün auf dem farblich gut passenden Untergrund nicht. Farbenblind bin ich also auch noch. Sticken ist ja auch ein Stück weit Selbstdiagnose. Eine Runde Blätter im – äh – Plattstich hab ich schon geschafft. Und wenn ich über den Stoff streiche, erkenne ich auch wo genau. Jetzt müsste ich die Stempel der Blüten im Knotenstich sticken, aber die Anleitung scheint auf Klingonisch verfasst zu sein. Die Stich-Skizze sieht aus wie das Ebolavirus aus „Outbreak“ und die Erklärung dazu macht so lustige Fragezeichen über meinem Kopf. Herrgottnochmal, ich nehm jetzt die Fitnessbänder und mach was für die Muskulatur der Oberarme. Und dann weicht auch leider grad das Tageslicht der Dämmerung (das war tatsächlich poetisch) und es ist zu dunkel um weiter zu sticken. So ein Pech. Ess ich halt Chips. Vielleicht versuch ich demnächst was Einfaches. Blumenkränze binden oder Neurochirurgie.

Foto: www.pexels.com (dieses Kunststück ist selbstverständlich nicht von mir)

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