Infektbingo

Kennt ihr Infektbingo? Das ist unter Eltern ein wahnsinniges beliebtes Spiel in der Zeit von Herbst bis Frühjahr, eigentlich ganzjährig, aber manchmal wird im Sommer pausiert. Aber wer weiß das schon genau. Infektbingo ist im Grunde dasselbe wie “Der Boden ist Lava”, nur dass die Lava aus Keimen und Viren besteht und niemand bei Drei die Füße vom Boden hat und es jeden jederzeit erwischen kann. Und wird. Ist das nicht toll?

Wir gewinnen dieses Spiel seit dem Herbst durchgehend. Da macht uns niemand den ersten Platz streitig. Wir schreien immer ganz laut “Hier!” und dann ist die Scheiße auch schon wieder am Dampfen. Früher sah man beim Bringen oder Abholen der Kinder weiße Zettel an den Türen des Kindergartens kleben, auf denen die neueste Bingolosung verkündet wurde. Heute, meldet die Kita-App das täglich neueste Höllenfeuer und ich warte fasziniert auf erste Symptome bei meinen Kindern. Ich fühle mich beinahe wie die völlig ramponierte und in Vergessenheit geratene Schwester von Indiana Jones. Ich jage keine verlorenen Schätze. Ich sammle Punkte auf der Karte. Und meine ist voll. BINGO!

In der Kita-App steht Hand-Mund-Fuß. Meine Kinder bekommen Ausschlag.

In der Kita-App steht Läuse. Meine Kinder kratzen sich beim Abholen am Kopf.

In der Kita-App steht Magen-Darm. Meine Kinder haben Bauchschmerzen beim Abholen.

In der Kita-App steht Influenza. Meine Kinder fangen in der Nacht an zu fiebern.

In der Kita-App steht Covid-19. Guess what.

Heute Morgen kam ein neuer Mitspieler dazu: Pfeiffrisches Drüsenfieber. Ich sag mal so: Nein, danke. Wir bleiben jetzt einfach mal zu Hause und lassen diesen Bonus-Kelch an uns vorbeigehen. Das wirft uns vielleicht im Rennen um den diesjährigen Infektpokal zurück, aber man kann nicht alles haben im Leben. Ich entscheide mich gegen das Pfeiffrische Drüsenfieber und für Ausschlag an allen Kindern. Als ob ich eine Wahl hätte. Könnt ihr mein hysterisches Glucksen hören?

Wer allerdings glaubt, dass der Spaß aufhört, wenn die Kinder in die Schule kommen, hat den Infektreigen dort noch nicht erlebt. Die Klassen in der Grundschule hier im Ort laufen kontinuierlich in Unterbesetzung – auf Schüler:innen- und Lehrer:innenseite. Der Vertretungsplan vom Gymnasium ist umfangreicher und aktueller als die Eilmeldungen im Fernsehen. Ich sag’s euch. Wenn du Kinder hast, ist dein Haushalt irgendwann besser bestückt als die Apotheke zwei Orte weiter. Dr. Google ist dein bester Freund und der Kinderarzt und der Kassenärztliche Notdienst sind auf Kurzwahl.

Das ist alles reichlich glamourös, ich weiß. Wenn du dann noch versuchst mit kranken Kindern im Homeoffice zu arbeiten – die Königsdisziplin – dann hast du den diamantbesetzten Gipfel der Elternschaft erreicht. Und fällst mit Anlauf drüber und purzelst volles Volley runter. Wie John Wick beim Versuch die 237 Stufen zur Sacre Coeur in Paris zu Erklimmen. Der Treppensturz war äußerst schmerzhaft anzusehen. Stellt euch einfach vor, die ganzen Profikiller, die euch für das enorm hohe Kopfgeld umbringen wollen, sind die Kindergartenviren. Und ihr seid John Wick. Das ist der beste Vergleich, der mir jemals einfiel. DER BESTE! Ihr kämpft euch das ganze verdammte Jahr an diesen Killern vorbei die Stufen hoch zur Scare Coeur. Und kurz vor dem Weihnachtsurlaub steigt am oberen Ende der Treppe, der fieseste Killer von allen aus und ruft: “ICH BINS! DAS ROTAVIRUS!” Und ihr fallt scheppernd alle Stufen wieder hinunter. 237 Steinblöcke hinab. Und wenn ihr dann unten angekommen seid, dann geht der ganze Scheiß von vorne wieder los.

Was ich eigentlich sagen will: “John Wick – Kapitel 4” ist der beste Actionfilm, den ich je sehen durfte. Einhundertsiebzig perfekt choreographierte Minuten Action. Wie ein ganz normales Infektbingo-Kita-Jahr. Großartig.

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