Schön hier.

Ich habe einen richtig netten Oldie in meinen Notizen gefunden über die Poesie des Alltags. Die zuckerfarbene Büchse der Pandora. Das Gesetz des universellen Chaos. Dies, das, Ananas. Fünf Jahre alt und doch noch knackig. Bitteschön:

Wisst ihr wie toll es ist Kinder zu haben? Wenn die Babies krank sind und alle deshalb schlecht schlafen? Dann treffe ich morgens blöde Entscheidungen wie das noch müde Kleinkind vom Kindergarten abzumelden. Klingt harmlos. Ist es aber nicht! Es entwickeln sich im Anschluss Situationen, die man nur kennt, wenn man so dämlich ist Gremlins nach Mitternacht zu füttern.

Einer der Zwillinge kotzt ins Wohnzimmer, als ich kurz auf Toilette bin. Danach krabbeln beide in die Küche, um sich Alufolie um den Kopf zu wickeln. Luna verreibt sich ständig den Nasenschnodder im Gesicht und auf dem Laminat und Neo zieht überall Kabel raus und Nachttischlampen runter. Als ich den Zwillingen in der Küche Milch zubereite, sitzt Hannah im Kinderzimmer unterm Tisch und schmiert alles mit Linola ein. Der Teppich dort wird nie wieder unter trockener Haut leiden. Anschließend räumen sie alles, wirklich alles, vom Kinderzimmer ins Wohnzimmer. Schleichtiere verursachen höllische Schmerzen, wenn man drauf tritt. Wusstet ihr das? Zwischen all dem Spielzeug finden sie blaue Kreide, die offenbar richtig gut schmeckt. Und zum Abschluss des Tages ist Hannah im Schlafzimmer auf Möbel geklettert, um an mein Mascara auf der hohen Kommode zu kommen und das Sofa im Wohnzimmer damit einzuschmieren. Es hat von nun an die schönsten Wimpern im gesamten Landkreis.

Kinder bereichern unser Leben, machen es bunter (oder schwarz wie mein Mascara von Lancôme) und schöner (sagt das Sofa). Ich kann mir ein Leben ohne Kinder gar nicht mehr vorstellen. Ich weiß auch gar nicht wie das ist ein sauberes Sofa und intakte Tapeten zu haben. Ist sicherlich langweilig, ne.

Ich geh jetzt weinen.
Leise. In Embryonalstellung.
Unten neben der Waschmaschine, die heute die vierte Runde läuft, weil die Bettwäsche die liebevolle Massage mit Schokolade nicht so gut verkraftet hat wie die Kleinsten vielleicht dachten.

Legosteine.

Ich erhalte öfter Nachrichten, dass der oder die eine oder andere gerne bei uns mal Mäuschen spielen würde. Um Himmels Willen! Nein! Ihr brecht euch sämtliche Knochen! Ihr klebt am Laminat fest oder rutscht aus. Häuser, in den kleine Kinder leben, sind mörderische Fallen. Nicht für die Kinder. Für die Eltern. Ausgebildete Agenten wären binnen fünf Minuten außer Gefecht gesetzt. Bleibt also mal schön in euren sicheren Wohnungen und Häusern.

Es ist wirklich nicht ohne, sich einen Haushalt mit Nachwuchs zu teilen. Das ist nicht ungefährlich. Es ist laut, bunt, unordentlich, voller Liebe, voller Streit und Missverständnissen. Voller Lachen und Weinen, Gummibärchen und Spaghetti. Es ist jeden Tag aufs Neue eine Büchse der Pandora, die irgendjemand schon vor dem ersten Kaffee öffnet.

Eines hat jeder Tag mit den anderen gemein: du wirst niemals das Chaos beherrschen. Es beherrscht dich. Für immer. Die pastellfarbenen, pampasgrasdekorierten Instagramwelten, in denen Mütter in klinisch sauberen, glänzenden Küchen Muffins und vierstöckige Torten backen und auf Tischen mit Platzsets aus Leinen anrichten, sind Träume! Das wird niemals passieren. Vergiss es einfach! Denn spätestens wenn du die Muffins zum Tisch bringen willst, fliegt unter lautem Gebrüll eine Actionfigur durchs Esszimmer und reißt dein Gebäck mit ins Verderben. Been there. Done that.

Egal wie oft du selbst Spielzeug wegräumst oder deine Kinder anhältst das zu tun, es bleibt immer Spielzeug liegen. Immer. Und das kann so unglaublich gefährlich werden. Gut, ich verneige ich mich inzwischen auch vor der Korrelation steigendes Elternalter zu Spielzeugunfällen. Aber ich bin sicherlich nicht die einzige Mutter auf der Welt, die dank des Spieltriebs ihrer Kinder zur Invalidin wird.

Ich habe meinen Mann schon häufig in der Küche oder dem Esszimmer semi-elegant grätschen sehen, wenn er kleine, feine Pfützen Wasser übersehen hat, die die Kinder durchs Haus haben tropfen lassen, weil sie im Kinderzimmer heimlich eine Strandbar für die Barbies eröffnet hatten. Spagat hat er inzwischen drauf. Fluchen und davon humpeln auch. Das können wir beide inzwischen gut. Aber nach fast zwei Jahrzehnten gemeinsamer Elternschaft ist das auch der geringste Anspruch, den ich an uns stelle. Fluchen mindert zwar die Unfallgefahr nicht. Es hilft allerdings Schmerzen zu veratmen. Ich schwöre.

Jeder und jede kennt den Schmerz, den Legosteine und Barbieschuhe verursachen, wenn man nachts barfuß drauf tritt. Wenn du innerlich schreist, um niemanden zu wecken, dir ein Tränchen aus dem Auge kullert. Das wird an sich ja nur noch getoppt, wenn du in der sicheren Dunkelheit deines Zuhauses auf eine Reißzwecke trittst. Das ist schön!

Wenn die drei kleinen Chaoten hier in ihren Zimmern wieder „The Day After Tomorrow“ oder „Armageddon“ gespielt haben, schiebe ich mir vor Einbruch der Nacht gerne eine Schneise durch das Bodendekor, um halt nicht schmerzhaft überrascht zu werden.

Blöd wird es aber, wenn deine Kinder in der Küche auf der einzigen Treppenstufe dort mit LEGOSTEINEN spielen und du mit einem Korb voller Wäsche um die Ecke kommst, diesen verfluchten gelben Stein nicht siehst und den Sturz deines Lebens hinlegst. Ich habe einen Salto geschlagen, sagt die Überlieferung. Ich habe Sterne gesehen. Und das dienstälteste Kind hat erstmal erschrocken nach offenen Brüchen an meinen Beinen gesucht, nachdem ich mich weinend und schreiend und leicht benommen wieder auseinandergepuzzelt hatte. Ich hatte meinen Meniskusfraktur seit Jahrzehnten gut im Griff. Jetzt warte ich die nächsten vier Wochen auf einen MRT-Termin, der das Ausmaß der neuerlichen Katastrophe ans Licht bringen soll, und hinke derweil übelgelaunt wie ein Pirat durch die Welt. Kennt man ja.

Wisst ihr, was mein kleiner, süßer Sohn in der Zwischenzeit macht? Er läuft vor mir her und streut wie ein Engel Legosteine aufs Parkett!

Die Vierjährige wird fünf

Unvermeidlich im Leben einer Mama sind ja nur ein – oder zwei bis fünf Kindergeburtstage pro Jahr. Schön schaurig, nervenaufreibend, knallbunt. laut und unvergesslich. Und trotz der Tatsache, dass sich diese Rock’n Roll-Parties tief in das mütterliche Gedächtnis eingraben, sind wir doch immer wieder so geistig umnachtet, einen neuen Kindergeburtstag auszurichten. Mit allen Konsequenzen. Irgendwann lern ich’s noch. Ganz sicher. Ach, gebt mir einfach Schnaps.

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Murmeln im Kopf

Die Kinderärztin vom Kassenärztlichen Notdienst setzt ein ernstes Gesicht auf: „Versprichst du mir, dir nie wieder eine Murmel ins Ohr zu stecken? In die Nase auch nicht?“ Die Vierjährige schaut auf ihre Schuhe und zuckt mit den Achseln: „Nein.“ O.k. Und hey, super, dass sie jetzt weiß, Murmeln passen auch in Nasenlöcher. Danke!

Wie ist euer Notaufnahme-Schnitt mit Kindern? Wir sind das vor ein paar Tagen mal durchgegangen. In fast 14 Jahren mit inzwischen fünf Kindern kommen wir auf zweimal Notaufnahme. „Kein schlechter Schnitt“, sag ich und bereu es sofort. Eltern kennen die Regel: freust du dich über das Ausbleiben von Katastrophen treten sie augenblicklich ein. Logisch.

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Einfach mal jammern

Egal wie lustig sich manches aus unserem Haus anhört, anstrengend ist es im Abgang immer. Irre anstrengend bisweilen. Manchmal so anstrengend, dass ich alles hinschmeißen und Hängematratzentester auf Bali werden will. Weil das aber nicht geht und ich mir dieses ganze laute Durcheinander irgendwie selbst ausgesucht habe, muss ich halt jammern. Das kann ich gut.

Als Dompteuse von fünf Kindern und eines verhaltensoriginellen Mannes habe ich das Jammern zur Kunst erhoben. Ich kann das laut, leise, sarkastisch, ironisch, ernst, mit Schnodder, ohne, schriftlich, mündlich, stehend, liegend, sitzend und auch gemalt. Aber vor allem kann ich eines gut: mich aufregen.

Das sollte man ab und an auch tun. Bevor man chronischen Flatterpuls bekommt oder die Aussicht auf einen netten Amoklauf am Montagmorgen im überfüllten Supermarkt ganz entspannend findet. Dann sollte man einfach mal Luft ablassen, aufs Feld raus und schreien, Schimpfwörter ins Tagebuch schreiben oder den Tag ganz einfach richtig scheiße finden und das auch sagen. Gerne in Schachtelsätzen. Dann verliert sich die Schwere der Belastung ein wenig. Denn egal wie stressig und nervtötend, wie zeitraubend und pulstreibend das Leben mit Kindern sein kann. Am Ende liebt man die Plagen ja doch. Wenn sie schlafen. Und keiner ans Nutella geht, außer den Eltern, die das dann schluchzend auf dem Sofa direkt aus dem Glas löffeln. Was wir hier natürlich niemals machen würden!

Diese ganze Instagram-Idylle von perfekt angezogenen Kindern, die friedlich im Garten spielen oder ohne Schokolade an den Händen auf der weißen Couch mit pastellfarbenen Kissen sitzen ist nett. Nett, hübsch anzusehen, aber ein Märchen. Am Ende des Tages kann ich mir nichts Schöneres (doch!) vorstellen, als hinter fünf Kindern herzuräumen, Schubladen wieder einzuhängen oder zerbrochenes Geschirr zusammenzukehren. Mein Sofa war nie weiß, aber orange, bis es liebevoll mit Mascara, Penatencreme, Kakao und Joghurt eingerieben wurde. Schöner wurde es dadurch nicht, aber fleckiger. In Berlin würde man das so bearbeitete Möbelstück in einem sonst spärlich eingerichteten Raum vor eine nackte Betonwand stellen und das als „Loft-Chic“ über Airbnb untervermieten. Hier aufm schnöden Land ist das Sofa halt einfach kinderintensiv abgeranzt.

Das Lettering stammt von der wunderbaren Fräulein Hedwig | hier geht’s zu ihrem Instagram-Profil

Und das macht mich ab und an wahnsinnig. Jetzt könnte man sagen: Erzieh deine Kinder halt besser. Jetzt könnte ich mir das zu Herzen nehmen und mir Hilfe bei der Bundeswehr suchen. So ein bisschen Drill hat ja noch keinem geschadet. Aber: Nö. Die sind entweder noch zu jung, um zu verstehen, dass Joghurt nicht aufs Polster gehört. Oder sie haben es – dank kurzer Aufmerksamkeitsspanne – nach fünf Minuten wieder vergessen. Oder sie sind inzwischen zu Teenagern herangewachsen, die ja auch einen Berg Dreckwäsche in ihrem Zimmer liebevoll aus „Myll“-Kunst bezeichnen. Und die muss liegen bleiben, sonst kann’s ja keiner sehen. Oder sie sind vier und bockig und du bist eh die böse Mama, egal was du sagst. Ich rede mir ganz oft ein, dass ich gewonnen hab, wenn sie alle im Bett liegen und schlafen.

Dass ich zwischen Kindergarten, Schule, Wäsche, Arztterminen, Pflegedienst und Ehrenamt (Bin ich als stellvertretende Schulelternsprecherin ehrenamtlich tätig oder einfach nur bekloppt? Gute Frage, ne.), Kochen und Hausaufgabenhefte kontrollieren, keines der Kinder irgendwo in der Pampa vergessen habe, rechne ich mir jeden Abends aufs Neue hoch an. Und das war auch der längste Schachtelsatz heute.

Dass ich manchmal wie der Hulk laut schreiend aus der Haut fahren möchte, kann man das nachvollziehen? Meine Tage sind oft zu kurz, um alles zu schaffen. Die Wäsche bleibt liegen. Das Chaos im Wohnzimmer auch. Die Nächte sind anstrengend, wenn der Blutzucker vom Söhnchen mal wieder Achterbahn fährt und seine Zwillingsschwester partout nicht in ihrem Bett schlafen will. Dann hab ich plötzlich drei Kleinkinder in meinem Bett liegen und schlafe am Ende der Nacht am Fußende, weil die sich so verflixt breit machen. Dass ich trotzdem vor Liebe zerfließen könnte, wenn diese pausbäckigen Monster im Schlaf die niedlichsten Grimassen ziehen, sag ich lieber nicht. Dass ich stolz bin, wenn ich sehe, wie sich meine älteste Tochter entwickelt, verrat ich nicht. Dass ich ihren trockenen Humor und beißenden Sarkasmus liebe, weil sie den von mir hat, braucht sie auch nicht zu wissen. Dass meine Stieftochter aufblüht und bald auf die weiterführende Schule wechselt, macht mich froh. Dass meine Vierjährige so ein wundervoll altkluger Dickkopf ist, das sage ich ihr täglich. Und sie sagt mir, dass ich eine liebe alte Mama bin.

Und trotzdem möchte ich manchmal die Tür hinter mir ins Schloss fallen lassen und ans Meer fahren. Allein. Nur die Wellen und ich. Warum ich das nicht mache? Weil das alte Auto die Strecke nicht mehr schaffen würde und ich sowieso nach einem halben Tag heulend wieder zu Hause säße, weil ich diese Horde Kinder und dieses Leben schrecklich vermissen würde. Bekloppt. Ich weiß. Ihr würdet es ja auch nicht anders machen. Gebt es ruhig zu.

Papas sind leichte Opfer

Heute Nachmittag war ich mit der Großen in der Stadt beim Optiker. Nach gut einer Stunde, dreitausend Brillengestellen später und 150€ ärmer kamen wir wieder zu Hause an. Oder besser: in dem was davon übrig blieb. Ich hätte vielleicht einfach im Auto sitzen bleiben und zur Ostsee durchfahren sollen. Da ist es im Winter ganz wunderbar still und aufgeräumt.

Der Papa war mit den drei Kleinsten allein zu Hause. Und sagen wir mal so: Die müssen den Kerl sediert und mit Panzertape an die Decke geklebt haben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Vielleicht ist mein Mann in dieser auch Zeit schlagartig erblindet, wurde taub und bewegungsunfähig. Die Kinder könnten ihn mit einem Nudelholz k.o. geschlagen haben. Eventuell war er aber auch so sehr gefesselt von seinem neuerlichen Raub in Age of Empires, dass es ihm unmöglich war, nach den Kindern zu sehen. Ich habe da viele Theorien. Er hatte gerade nur ein überraschtes „Huch!“ in petto. Und ich hab Puls.

Chaos und Zerstörung komprimiert auf 60 Minuten. Das ist eine krasse Leistung. Im Kinderzimmer befand sich kein Stein mehr auf dem anderen. Der Putz in der Küche wurde an diversen Stellen großzügig abgeschabt, glatte Wände sind ja auch viel schöner. Vom Flur bis zum hintersten Winkel des Kinderzimmers lag eine Spur Styropor, wie Brotkrümel. Beim Sonntagsmärchen passen sie also gut auf. Die Werkbank und der große Bagger waren als Schutzwall hinter der Tür zum Kinderzimmer aufgebaut und danach musste ich mich erst einmal durch ein Gebiet voller Tretminen schlagen – Matchbox Autos und Legosteine. Dazwischen Haarspangen. Unzählige! Jetzt hab ich die zumindest wieder und muss nicht mehr verzweifelt danach suchen.

Weil das an sich Situationen sind, in denen mir gerne die ein oder andere Halsschlagader platzt, atme ich tief durch und schnür die Laufschuhe. Schlimmer kann es ja nicht werden. Ach was red ich. Kann es doch. Während ich japsend und graziös wie ein besoffener Otter meine sechs Kilometer runterreiße, reißen die Plagegeister zu Hause den Inhalt meiner Handtasche an sich und versenken ihre Handabdrücke in der Quarktorte. Als Finale parken sie den Schiebe-Bagger als Stolperfalle direkt hinter der Schlafzimmertür. 

Und jetzt weiß ich es auch: Ich lass sie nie wieder „Minions“ gucken, die lernen da zu viel. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben die sich übereinander gestapelt und sind als hinterhältige Räuberleiter mit der Wokpfanne im Anschlag hinterrücks auf meinen Mann los. Die haben den Ärmsten erneut bewusstlos geschlagen! Der kann gar nix dafür. Seht ihr doch auch so?

Diese Theorie rettet zumindest sein Leben für den Moment. Er schenkt mir gerade ein Glas Martini ein. Und dann mach ich die Augen zu und singe ganz laut „Lalalalala!“ – dann ist das ganze Chaos nämlich gar nicht mehr da.