Entspannte Tage

Reden wir mal drüber, wie schön der Alltag doch immer noch und immer wieder ist. Ich gehe da echt mit viel Schwung und Elan dran. Ungefähr bis 9 Uhr morgens und bis zum vierten Kaffee. Dann ist Schluss mit lustig. Denn dann habe ich bereits dreimal ungläubig in meinen Kalender geschaut und möchte den Rest des Tages in Embryonalstellung auf dem Bett liegen. Rollläden unten. Licht aus. Augen zu. Es ist alles sehr, sehr schön.

Und dann frage ich mich ganz oft, ob mein – unser – Alltag zu unstrukturiert ist. Aber das ist er nicht. Ich habe feste Abläufe implementiert, die mich über Wasser halten. Morgens, bevor die Kinder aufstehen, bereite ich drei Lunchboxen vor, koche meinen Kaffee und gehe duschen. Dann stehen nach und nach die Kinder auf und es wird lebhaft im Haus. Anziehen, Zähne putzen, Taschen packen. Dann bringe ich die Kleinen in Grundschule und Kindergarten und fange meist im Homeoffice an zu arbeiten. An zwei Tagen in der Woche haben zwei meiner Kinder Therapietermine. Halbjährlich geht es zum Augenarzt und zum Zahnarzt, vierteljährlich in die Diabetessprechstunde und eben wöchentlich zur Ergo- und Logopädie, dazwischen Lernentwicklungsgespräche und Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt. Das habe ich alles irgendwie formschön in meinen Tagesablauf gegossen, neben Einkauf und Wäsche, Aufräumen und dem ganzen anderen Haushaltskram. Nach dem Abendessen packe ich die Kleidung für die Kinder für den nächsten Tag auf den Esstisch, kontrolliere Rucksäcke und Ranzen und räume die Fußböden leer. Dann lese ich mit den Kindern zwanzig Minuten in einem Buch, bevor ich sie bettfertig mache und der Schlaf gut-Marathon beginnt. Und wenn dann alle Kinder schlafen, fühle ich mich unfassbar erschöpft.

Ich freue mich regelrecht, dass ich wieder einen Tag geschafft habe, aber ich bin so müde, so ausgelaugt, so leer. Das ist schon erschreckend. Und dann klingelt der Wecker am nächsten Morgen wieder um 6 Uhr, dieser verfluchte Verräter.

Wer hat denn eigentlich beschlossen, dass das Leben ab einem bestimmten Alter nur noch aus Terminen, Rechnungen, Wäsche und Kopfschmerzen besteht? Ich weiß: Ich nicht und ihr auch nicht. Aber da steh ich nun und möchte doch eigentlich bloß sieben Tage Wochenende bei vollem Gehaltsbezug. Kann doch nicht so schwer sein. Und jemanden, der mir Essen ans Bett bringt. Gerne auch ans Sofa. Da kann auch bequem liegen. Geht aber nicht, weil ich Verantwortung habe für kleine Menschen. Für die Menschen, die ich am meisten liebe. Weil ich Erwachsen sein muss und Steuern zahlen soll. Weil ich einen Führerschein und einen Personalausweis habe, eine Sozialversicherungsnummer und ein Führungszeugnis. Als ich fünf Jahre alt war, hatte ich ein Malbuch und ne Barbie. Das war gut. Jetzt hab ich Rechnungen und Anwaltsschreiben. Aber das ist eine andere Geschichte. Und wenn ich keine Steuererklärung machen muss, muss ich das Unkraut auf dem Gehweg vor dem Haus entfernen, weil sich sonst irgendwer aufregen könnte. Und die Regenrinne sauber machen, das muss ich auch noch. Ja, Scheiße, ey!

Im Grunde läuft es als Mensch jenseits des Kindergartenalters nie rund. Und wer was anderes behauptet, flunkert.

Entspann dich doch mal.

Es gibt nach 40 Jahren in diesem Leben nicht mehr viele Dinge, die mich entspannen können. Seit 16 Jahren heiße ich nur noch Mama. Und seit ebenso vielen Jahren bin ich unterschwellig völlig unentspannt, weil ich an tausend Dinge gleichzeitig denken muss und gar nicht mehr weiß, wie man sein Hirn einfach mal runterfährt. Leere im Kopf muss schön sein.

Hab’s mit Wein versucht. Hilft nicht. Hab’s mit Zigaretten versucht, stinkt bloß. Hab’s mit Joggen versucht. Leute! Man riecht am Ende nach plattgewalztem Aas am Straßenrand. Hab’s mit Lesen versucht. Wenn dir dreimal das verdammte Buch auf die Nase gefallen ist, hast du da auch keinen Bock mehr. Am Zeichentisch sitzen ist auch nur bedingt erholsam, weil in der Zwischenzeit die drei Kleinsten wie ein Heuschreckenschwarm durch das Haus ziehen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Es ist nicht einfach. Ehrlich. Selbst Nervennahrung entspannt nicht mehr, weil da immer drei kleine Kröten vor mir stehen und auch was haben wollen. Und da ich das Schokolade und Chips essen deshalb auf die Zeit gelegt habe, in der die Kinder wirklich, wirklich schlafen und das Rascheln der Chipstüte nicht mehr hören, futtere ich zu spät und zu viel und habe mir einen hübschen Rettungsring um die Hüfte zugelegt. Polstert gut. Lässt aber Jeans platzen. Naja.

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Corona. Chaos. Cola. Chips.

Na, liebe Eltern, wie geht es euch? Seid ihr auch so unglaublich tiefenentspannt wie ich nach drei Monaten Homeoffice, Homeschooling und Heimbetreuung quirliger, kleiner liebenswerter Kindergartenkinder? Habt ihr auch jede, wirklich jede Facette des integrativen Familien- und Arbeitslebens so schätzen und lieben gelernt wie ich? Möchtet ihr jetzt auch gerne mal für ein paar Tage in die Berge fahren und Steine anbrüllen? Ja? Nein? Ja.

Junge, Junge, was war ich naiv, als am 13. März 2020 (ein Freitag, wie passend) verkündet wurde: „Hallo Leute! Wir machen Schulen und KiTas dicht wegen Corona und kleiner Virenschleudern. Ihr packt das schon. Tschüss!“ Was haben wir Muttis im Büro gelacht. Endlich Homeoffice! Was haben wir gelacht. Lockdown. Homeoffice. Jogginghose. Das wird prima. Hahaha.

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