Wir haben Corona

Alles einsteigen! Einmal Eintrittskarte lösen für SARS-CoV-2! Hatten wir nicht vor, hat aber leider geklappt. Hier kommt unser kleines Corona-Tagebuch. Mit freundlichen Grüßen aus übertragungsfreien Räumen wie Kindergärten, denn die Ansteckungen finden ja bekanntermaßen vorrangig im privaten Umfeld statt. Und wer erkannt hat, dass das jetzt sarkastisch gemeint war, ist hier genau richtig. Geht los.

Am Tag meines Impftermins fühlte ich mich nicht wirklich wohl und dachte mir, dass es ganz nett sei, einen Schnelltest zu machen, bevor ich ins Impfzentrum fahren würde. Nach dem relativ erschütternden Schnelltest hab ich dann einfach mal den Termin abgesagt und die Kinder durchgetestet. Wenige Tage zuvor wurden die drei Kindergartenkinder vom Gesundheitsamt in Quarantäne gesteckt, weil es in ihrer Gruppe ein positiv getestetes Kind gab. Da wir gerne mal was gewinnen, hat mein Sohn den Jackpot abgeräumt und sich das Coronavirus gesichert. Das zeigte uns das Ergebnis seines PCR-Tests zwei Tage später.

Da mein kleiner Sohn auch eine ausgesprochene Virenschleuder ist, der zu Hause prinzipiell nicht in die Armbeuge, sondern mir ins Gesicht hustet, hat er seinen Gewinn mit mir geteilt. Quarantäne für die ganze Familie! Papa fuhr auf dem Weg nach Hause von der Arbeit schnell noch Reibekäse und Toilettenpapier einkaufen und dann haben wir die Schotten dicht gemacht. Zum vierten Mal. Wir sind halt Quarantäneprofis. Irgendeine Inselbegabung braucht schließlich jeder.

Quarantäne Tag 1:
Seit dem Morgen entwickle ich rasant Symptome: Husten, Halsweh, starke Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Abgeschlagenheit. Von Null auf Hundert in zwei Stunden. Wir müssen zum Kinderarzt, der einen Abstrich bei meinem Sohn und mir machen wird und mich mit der Aussage überrascht, es sei doch toll, dass ich die Antikörper nun auf natürlichem Wege bilden würde. Darf man eigentlich mittags schon Schnaps?

Quarantäne Tag 2:
Mein Sohn rennt rum, stänkert, hustet, fällt hin, hustet, rennt rum. Der Husten bei mir wird schlimmer, aber die Atmung ist okay, asthmatisch, aber okay. Wir warten auf die Testergebnisse.

Quarantäne Tag 3:
Ich bin unglaublich kraftlos. Mehr als Duschen ist heute nicht drin. Der Husten ist jetzt mein nervigstes Accessoire. Das Kind hüpft rum als sei nie etwas gewesen. Die PCR-Testergebnisse sind da und schreien “Hurra!”.
Zum Dampf ablassen trolle ich Trolle auf Facebook. Dort wird mir erklärt, dass die Infektionen in Schulen und Kindergärten Fake sind und wenn ich glaube, Corona zu haben, dann bin ich dumm. Wünsche allen Leerdenkern gute Besserung und überlege, warum meine Zunge taub ist.

Quarantäne Tag 4:
Ich hab Käsenachos bestellt.
Und Erdnussbutter.
Und Zähne geputzt.
Reicht.
Krankes Kind springt rum.

Quarantäne Tag 5:
Nachdem mir in der Küche schwarz vor Augen wurde und ich mich grad noch so am Küchenschrank gefangen hab, hat mich das große Kind sehr bestimmt wieder in die Horizontale verlegt. Krankes kleines Kind springt rum.

Quarantäne Tag 6:
Die Kreislaufachterbahn und ich gewöhnen uns aneinander. Bisschen Farben klecksen auf dem Sofa zwischen ausgedehnten Ruhepausen geht. Mehr machen wir, der Kreislauf und ich, aber auch erstmal nicht.
Währenddessen hat die älteste Tochter dem Vorschulkind die Haare geschnitten. Quarantänekoller kickin‘ in.

Quarantäne Tag 7:
Das Atmen schmerzt, mein SpO2-Wert liegt bei 99%, das beruhigt. Der Kreislauf macht immer noch schlapp und sobald mehrere Reize (schreiende Kinder) zusammenkommen, bin ich komplett überfordert.

Quarantäne Tag 8:
Scheinbar hat der Mann genug davon, dass ich krank bin und sucht Streit. Hab das Fenster im Schlafzimmer nach 17 Uhr angekippt gelassen. Und das Inhaliergerät steht auf der Kommode. Ok.

Quarantäne Tag 9:
Zum Abschluss der vierten Quarantänestrecke für den Rest der Familie ich darf noch länger) wurde die Jüngste positiv getestet, mit zwei Schnelltests, morgen PCR-Test. Wir verlängern dann halt einfach nochmal. An der Teststelle wollte man die Kinder erst nicht testen, weil SIE KEINE LICHTBILDAUSWEISE HÄTTEN. Geburtsurkunden zählen nicht, könnte ja jedes Kind sein. Wer kennt es nicht… Wochenende, Regen, Wind, leihst dir mal eben vier fremde Kinder aus und fährst mit ihnen zum Nasenschleim durchschwenken, weil du ja sonst keine Hobbys hast!

Quarantäne Tag 10:
Der Gatte und ich streiten, weil er der Auffassung ist, ich „verhandle“ nicht gut genug mit dem Gesundheitsamt. Verhandeln. Mit dem Gesundheitsamt.

Quarantäne Tag 11:
Hab meine Nase durchgewischt. Schnelltest negativ. Dürfte also nicht mehr ansteckend sein.

Quarantäne Tag 12:
Vorerst keine fünfte Quarantänerunde! Das Kind ist negativ! Ihre Laune auch.

Quarantäne Tag 13:
So ganz allein mit den Kindern zu Hause, weil der Mann wieder auf Arbeit gehen kann, ist die anstrengendste Rekonvaleszenz überhaupt.

Quarantäne Tag 14:
Das ist keine Übung! Ich habe das Haus verlassen und stehe am Schnelltestzentrum an und warte auf mein Ergebnis, um die Quarantäne offiziell zu beenden. Derweil passiv-aggressive ich unter Trollkommentaren auf Facebook herum.

Das klingt alles ganz unterhaltsam. Ohne Humor steht man das auch nicht durch. Ich hatte große Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2, da ich Asthmatikerin bin. Meine Hausärztin hat mir ab Symptombeginn die richtigen Medikamente verschrieben, unter anderem das laut diverser Studien gut wirksame und cortisonhaltige Asthmaspray Budenosid. Das kann schlimme Verläufe verhindern und hat mir tatsächlich sehr geholfen. Auch wenn ich nachts öfter mit Atemnot wach wurde, die Sauerstoffsättigung war immer gut und ich konnte mich mit Atemübungen und dem Asthmaspray gut einpegeln. Der Kreislauf ist auch jetzt noch meine größte Baustelle, den hat das Virus wirklich richtig lahmgelegt. Zeitweise hatte ich das Gefühl, um Jahre gealtert zu sein. Kleinste Bewegungen waren wahnsinnig anstrengend und erschöpfend. Müdigkeit mein ständiger Begleiter und oft konnte ich nur liegend durch den Tag, weil sitzen und stehen einfach nicht ging. Von Beginn an hatte ich Fehlbilder, richtige Augenschmerzen. Das ist nach wie vor so. Den Fokus halten fällt mir schwer. Hoffentlich gibt sich das noch.

Corona ist kein Schnupfen, keine einfache Erkältung. Auch nach einem Jahr Pandemie, neuen Erkenntnissen und Impffortschritten bleibt mir nur zu sagen: Achtet auf euch, haltet Abstand, wascht eure Hände und tragt Maske. Lasst euch impfen, wenn ihr könnt. Stay safe. Stay healthy.

Empfohlene Artikel

1 Kommentar

  1. Danke für Deinen erschreckenden Bericht. Ich bin froh, dass es Dich mit dem Asthma nicht schlimmer erwischt hat! Ich habe selbst Asthma und sollte wohl dankbar sein, dass ich jeden Tag Budenosid inhaliere… Ich drücke Dir die Daumen, dass Du bald wieder fit bist!

Schreibe einen Kommentar zu Alex Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert